Kunst und Kultur Euphorie auf dem Schotterplatz

Alina Juravel

Wie viel Festival-Atmosphäre kann auf einem tristen Parkplatz entstehen? Sehr viel! Das beweist das "In.Die.Musik"-Open-Air. 2000 Menschen feiern vor der Freiheitshalle.

 
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Hof - Es gibt zwei Arten von Festivals. Da wären die großen, kommerziellen Open-Airs. Die, mit den großen Zugpferden im Line-Up und Zehntausendern Besuchern auf dem Gelände. Keiner kennt sich hier wirklich, aber jeder fühlt irgendwie das Gleiche. Und in der Anonymität entwickelt sich eine kollektive Euphorie. Schöne Sache. Noch ein bisschen schöner ist jedoch die zweite Art von Festivals. Es sind die kleinen, fast schon familiären Veranstaltungen, hinter denen kein kommerzieller Gedanke steckt, sondern ganz einfach die Liebe zur Musik. Solch eine Veranstaltung ist das "In.Die.Musik"-Festival in Hof. Jahr für Jahr beweisen die Macher, dass tolle Festivals nicht mit langen Anfahrtswegen, Dixie-Klos und Campen im Matsch verbunden sein müssen.

Bleiben oder gehen?

Wo wird das "In.Die.Musik"-Festival nächstes Jahr stattfinden? Dessen waren sich die Macher nach der elften Ausgabe nicht mehr ganz so sicher. Eigentlich wollten sie zurück zu ihrem Stammplatz - dem Ossecker Stadion - ziehen. Doch weil der neue Ort von den Besuchern so gut angenommen wurde und die Zusammenarbeit mit der Stadt Hof reibungslos verlief, überlegt sich das Team vielleicht doch noch, das Open Air hier weiter zu veranstalten. "Wir lassen das Ganze erstmal sacken und bewerten die Vor- und Nachteile im Team", sagt Patrick Leitl.

Die Jungs und Mädels, die das Event auf die Beine stellen, verdienen keinen Cent daran, investieren aber ihre ganze Freizeit hinein. Das Open Air ist vor elf Jahren als Liebhaberprojekt gestartet und hat sich über den Status eines Geheimtipps zur festen Institution in der überregionalen Festivalszene gemausert. Kamen vor fünf, sechs Jahren noch etwa 500 Besucher, sind es diesmal 2000, die das Gelände am Samstag stürmen. "Es geht uns darum, Hof musikalisch zu bereichern, tollen Bands eine Plattform zu bieten und die lokale Musikszene zu fördern", sagt Patrick Leitl, zweiter Vorsitzender des "In.Die.Musik"-Vereins. Für ihren Einsatz haben die Macher dieses Jahr die Reinhart-Plakette, die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt Hof, erhalten.

Dass auch die elfte Ausgabe des Festivals ein Erfolg sein wird, daran hat eigentlich keiner gezweifelt. Auch wenn es den Organisatoren diesmal besonders flau im Magen war. Wegen der Sanierungsarbeiten musste das Open-Air seinen Stammplatz - das Ossecker Stadion - verlassen. Die Macher mussten auf den Parkplatz der Freiheitshalle ausweichen. Grau und trist ist die Fläche hier und selbst die Stammgäste waren sich unsicher, ob die typische Festival-Atmosphäre auf dem neuen Platz wirklich gedeihen kann.

Doch diese Zweifel erweisen sich am Samstag als unbegründet. Das Festival-Team hat es geschafft, dem lieblosen Schotterplatz so viel Flair zu verleihen, dass man als Besucher beinahe vergisst, was sich hier unter der Woche abspielt. Zwei Bühnen, ein großer Biergarten, verschiedene Stände und jede Menge Platz zum Flanieren. Weitläufig und trotzdem so kompakt, dass man sich ständig begegnen kann.

Auch beim Line-Up gelingt es den Machern, aus ihrem altbewährtem Rezept einen frischen Mix an Musik zu bieten. Lokale Künstler wie Jedermann aus Hof oder Me and Reas aus Nürnberg treffen hier auf überregionale Szenengrößen wie Adam Angst aus Köln und Von wegen Lisbeth aus Berlin. Fluffiger Pop, heftiger Punk oder tanzbarer Ska: Hier begegnen sich verschiedene Musikstile, die jedoch stets den gleichen Zuspruch erhalten.

Besonders in Erinnerung bleiben am Samstag die Engländer von Roughneck Riot, die mitreißenden Folk-Punk präsentieren. Adam Angst, dessen Sänger Felix Schönfuss mit zynischer Attitüde gegen soziale Missstände ätzt. Und Von wegen Lisbeth, die als Headliner so unaufgeregt euphorisieren. Die Berliner stehen in ihren Jogginghosen auf der Bühne und stilisieren sich in ihren Liedern als antriebslose Prokrastinations-Popper, die das Geschehen um sich herum mit Humor und distanzierter Ironie verarbeiten.

Am Ende des Abends haben die Macher das geschafft, was sie jedes Jahr machen. Den Besuchern einen Tag Urlaub vom Alltag zu bieten. Auch wenn er sie spätestens nach dem Wochenende wieder einholt und das Festivalgelände wieder zu einem tristen Parkplatz wird.