Der Winterkrieg fand 1939/40 zwischen Finnland und der Sowjetunion statt. Er dauerte von November bis März. Exakt in diesem Zeitraum ereignet sich die Handlung eines Romans, dem sein Autor, der 34-jährige Finnlandschwede Philip Teir, den Titel "Winterkrieg" gegeben hat. Es ist ein Gesellschafts- und Familienroman. Zwar wird kein Krieg ausgetragen, doch die Beziehungen zwischen Mann und Frau stehen im Zeichen der Krise.

Max wird sechzig. Er ist Soziologe und bekannt als Experte der Sexualwissenschaft, die Presse tituliert ihn als "Sexdoktor". Derzeit schreibt er ein Buch über Edvard Westermarck, der im späten 19. Jahrhundert die Soziologie im Lande begründete und eine "Geschichte der Ehe" verfasste. Über den Zustand von Max' eigener Ehe macht sich seine Frau Katriina düstere Gedanken: Für sie ist das Zusammenleben "eine Form gegenseitiger Tyrannei". Die beiden haben zwei erwachsene Töchter, von denen die ältere, Helen, Lehrerin und Mutter zweier Kinder, sich zuweilen fragt, ob das, was sie lebt, tatsächlich ihr Leben ist; die ein paar Jahre jüngere Eva hat soeben ein Kunststudium in London begonnen und lässt sich von ihrem verheirateten Professor, einem berüchtigten Frauenhelden, schwängern, der daraufhin das Interesse an ihr verliert. Über dessen Ehe wiederum erfährt der Leser, dass sie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr funktioniert.

Die Probleme in den Beziehungen verschärfen sich im Laufe des Winters vor allem dadurch, dass sich Max in eine junge Journalistin verliebt, die ihn aus Anlass seines 60. Geburtstags interviewt. "Laura", heißt es über das Gespräch der beiden, "schrieb immer weniger mit und konzentrierte sich stattdessen immer mehr darauf, auf eine verheerend sinnliche Art ihre Finger um das Weinglas zu bewegen." Die sich ergebende Affäre hat tragikomische Aspekte und schwerwiegende Folgen. Zur depressiven Stimmung, die sich in der gesamten Familie breitmacht, passt die "trostlose Winterdunkelheit", in der, wie der Autor mitteilt, Helsinki im Januar versinkt.

Der Roman - es ist, nach Gedichten und Kurzgeschichten, der erste Philip Teirs - imponiert durch kluge Gedanken und psychologische Tiefgründigkeit. In eher handlungsarmen Kapiteln fällt jedoch auf, dass hier sprachlich, zumindest in der deutschen Übersetzung, nicht gerade ein Feuerwerk abgebrannt wird. Die Finnlandschweden übrigens, zu denen neben dem Autor auch sein fiktiver Soziologe Max gehört, sind eine schwedischsprachige Bevölkerungsminderheit in Finnland. Obwohl ihr Anteil nur gut fünf Prozent der Gesamtbevölkerung beträgt, ist Schwedisch als zweite Nationalsprache dem Finnischen gleichgestellt. Ralf Sziegoleit

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Philip Teir: Winterkrieg. Blessing,

384 Seiten, gebunden, 19,99 Euro.