Bergnersreuth - Kinder, Küche, Kirche. Auf die sprichwörtlichen "drei Ks" sahen sich Frauen in den Zeiten verwiesen, in denen Männer das gesellschaftliche wie das familiäre Leben bevormundeten, also so gut wie durchweg in der Geschichte. Immerhin einige "besondere Frauen" - wie die Veranstalter im Bergnersreuther Gerätemuseum sie nennen - nutzten die Gelegenheit, sich Freiräume zu reservieren, sich im Freien Lebensträume zu erfüllen, wenn auch hinter Mauern, Zäunen, Hecken.

Solche "Ladys mit dem grünen Daumen" schufen sich Spielwiesen und Augenweiden in oft großen, unter hohem Zeit- und Geldaufwand gestalteten Gärten, in denen sich der Geschmack der Epochen ebenso spiegelte wie das Standesbewusstsein, die Kultur- und Naturnähe der Schöpferinnen. "Eine Liebesgeschichte" - von ihr erzählt, in einem als Garten inszenierten Saal, das Museum bei Arzberg in seiner aktuellen Schau. Als Schirmherrin hat Jana Rosenbusch, die junge Kuratorin, die Expertin Uschi Dämmrich von Luttitz gewonnen; aus dem Bayerischen Fernsehen kennt man sie als Moderatorin des Magazins "Blaues Blut und grüner Daumen".

Jener Daumen - und die anderen Teile der Hand - greifen seit Jahrhundert- und Jahrtausenden vor allem zu Sicheln und Scheren, Hacken und Harken, Gießkannen und Schubkarren, wie sie im Museum gleichsam als Dekostücke an Wänden stehen oder hängen oder in Vitrinen lagern. Blaues Blut, Zugehörigkeit zum reich begüterten Adel also oder zumindest zum betuchten Besitzbürgertum verbindet die "Ladys", die das Museum vorstellt. Sie haben, weil Finanzielles meist keine Rolle spielte, den Acker- und den Gartenbau zur Kunst erhöht. Die Parade der neun ausgewählten Damen und ihrer kreativen Konzepte endet bei der Freifrau Viktoria von dem Bussche, Herrin über den Park von Schloss Ippenburg in Bad Essen bei Osnabrück, die als "Mutter aller Gartenfestivals" gilt. Den Ausgangspunkt nimmt die zierbotanische Rundreise - per Bild- und Texttafeln - bei Katharina de Medici, vor 500 Jahren Königin in Frankreich.

In ihrem Projekt und denen der anderen vermählt sich der kultivierte Mensch mit der Natur, deren Gang durch die Jahreszeiten er seinem eigenen Zeitempfinden überordnet. Und es verbinden sich entgegengesetzte Daseinsenergien: das beinah Statische der Hege und Pflege - und die Fortbewegung beim Lustwandeln, bei Spaziergang und Spiel. In der Ausstellung kommt die französische Autorin George Sand zu Wort, die munter zugab, sie habe beim Schreiben "nur halb so viel Spaß wie mit dem Spaten", beim Graben und Pflanzen in ihrem Garten in Nohant.

Das Individuum in arrangierter Natur: Anstelle Gottes wirft sich der Mensch, als sein eigener Herr, zum Schöpfer seines Gartens Eden auf. Die Grundhaltung des Humanismus drückte, zum Beispiel, Katharina de Medici in ihrem Garten des Loireschlosses Chenonceau aus. Wie ein gigantischer Teppich, und gemustert wie einer, erstreckt er sich als mathematisch begrenztes und gegliedertes, minutiös ausgezirkeltes Natur-Kunst-Produkt, fast schattenlos, dessen Reiz sich den objektiven Gesetzen der Geometrie verdankt.

Indes: "Die Natur verabscheut gerade Linien", verkündete zu Beginn des 18. Jahrhunderts der britische Gartengestalter William Kent. In Bayreuth verabscheute auch die Markgräfin Wilhelmine alles Plane und Gerade. "Ohnegleichen", "unerreicht", sans pareil fanden Besucher ihren an englischen Vorbildern orientierten Landschafts- und Felsengarten bei Wonsees. Buchstäblich darf man hier das Wort Inszenierung nehmen: zum einen, weil die Markgräfin mit wechselnden Schauplätzen den damals viel gelesenen, abenteuerlichen "Telemach"-Roman des Franzosen François Fénelon nachstellte; zum anderen, weil sie auch ein Freilufttheater errichten ließ. Allsommerlich nutzt es die Studiobühne Bayreuth bis heute.

Im Englischen Garten - Münchens größter Park heißt so, und auch der Hofer Theresienstein gehört zu dem Genre - manifestierte sich besonders im 19. Jahrhundert ein Gegenmodell zu den Anlagen der Renaissance und des Barock; die empfand man jetzt zunehmend als un-natürlich. Mit dem festen Willen zu wohlüberlegter Komposition imitierten die Begründer darin die Natur, um deren Wirkungsmöglichkeiten zu vervollkommnen; in Johann Wolfgang von Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften" lassen sich wichtige Gedankengänge darüber nachlesen.

Rasen- und Wasserflächen wechseln einander ab, Wege schlängeln sich von einem künstlichen Hügel zur nächsten sorgsam arrangierten Baumgruppe ... Gelegentlich ließ man Kraut und Strauch auch wuchern. Wie räumliche, weiträumige Bilder, Gemälden ähnlich, sollten die Bezirke sich ausdehnen - zum Beispiel in Munstead Wood; dort ersann Gertrude Jekyll im Zeitalter der Königin Victoria ein Musterstück des Landhausgartens, das viele Nachahmer fand. "Sachlichkeit und Sinnlichkeit" wiederum vermischten sich - so ist in Bergnersreuth zu erfahren - in Sissinghurst, wo die Schriftstellerin Vita Sackville-West und ihr Mann eine "maximal zwanglose Bepflanzung" in einen klassizistisch strengen Rahmen setzten.

"Querbeet" geht in Bergnersreuth nichts. Auf je eigene Art unterbanden die "Ladys mit dem grünen Daumen" durch systematische Überlegung alles Planlose und Konfuse. Als Design ließe sich modern bezeichnen, was das Museum auf dem grünen Rasen, zwischen Sträuchern und Beeten, Bäumen und Bosketten dokumentiert: das Bündnis des Nützlichen mit dem Angenehmen, die Verschmelzung des sinnreich Zweckmäßigen mit der Schönheit künstlicher Paradiese.

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Bis zum 20. September, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr. - Informationen und Termine des Rahmenprogramms im Internet: www.bergnersreuth.de/

pages/ausstellungen.php.

Die Natur verabscheut gerade Linien.

William Kent (1685 bis 1748)