T.S. Spivet heißt der zwölfjährige Held und Ich-Erzähler eines Debütromans, für den sein amerikanischer Autor Reif Larsen - der auch erst 29 Jahre alt ist - eine Million Dollar kassierte. Tatsächlich ist das Buch mit dem Titel "Die Karte meiner Träume" mindestens jeden Schönheitspreis wert. Denn auch visuell handelt es sich um ein Kunstwerk.

Fast jede der lesefreundlich gedruckten Seiten ist am Rand mit Illustrationen versehen. Die stammen vom jungen Helden, der ein gleichermaßen begabter wie besessener Zeichner ist. Er "macht", so sagt er selbst, Karten und Diagramme - Letztere von praktisch jeder Arbeit, die auf der Farm seiner Eltern in Montana verrichtet wird. Weil seine Bilder - darunter schematische Darstellungen vom Sozialleben der Hummeln und eine Zeitleiste zur Entwicklung der Flugapparate - Unsichtbares sichtbar machen, werden sie auch von seriösen Wissenschaftlern beachtet. Ein renommiertes Institut will den Künstler ehren und lädt ihn, den man natürlich für einen Erwachsenen hält, dazu in die Hauptstadt Washington ein, wo er vor mehreren Hundert Geistesgrößen einen Vortrag halten soll. "Wie ein Hobo" geht T.S., der erkannt hat, dass er auf der Farm fehl am Platz ist ("Ich gehörte hier nicht hin"), im Güterzug auf Reisen.

Die Weg vom Westen in den Osten der Vereinigten Staaten erweist sich - wie könnte es anders sein - als abenteuerlich. Mit unangestrengt frischem Ton lässt Autor Larsen den frühreifen Knaben davon erzählen. Zwar geht's nicht ohne Längen, doch wird der Leser durch die typografischen Spielereien immer wieder überrascht und reichlich entschädigt. Einen tragischen Aspekt hat die Geschichte allerdings auch: Die Erinnerung an den kleinen Bruder - der war ein Waffennarr und schoss sich in Gegenwart von T.S. versehentlich eine Kugel in den Kopf - lässt den Jungen nie los. Ralf Sziegoleit

Reif Larsen: Die Karte meiner Träume. S. Fischer, 447 Seiten, gebunden, 22,95 Euro.