Herr Kramm, von einem "Sieg für Künstler und Kreative" war in diversen Medien die Rede. Was erleben Sie denn privat für ein Echo darauf?

Seitdem das Urteil da ist, rufen mich im Viertelstundentakt Musiker an, das waren in den vergangenen Tagen bestimmt 400 Leute. Gothic, Industrial, Elektro, aber auch Mittelalter, Rap, Kleinkunst, Kabarett.

Sie sollten einen Sekretär anstellen ...

Ja, es ist unglaublich. Ich muss mich bemühen, der Sache Herr zu werden. Bei dem Bedarf wird es darum gehen, ganz schnell einen Verein zu gründen, in den die Leute eintreten können, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Es gibt ja kaum Verbände, die sich gezielt um Autoren kümmern. Es gibt den einen oder anderen Komponistenverband, ja, aber die sind sehr verlegernah.

Sie haben etwas erstritten, was mancher Branchenkenner als historisch einstuft. Erklären Sie das doch mal einem Nichtjuristen.

Letzten Endes habe ich dafür gesorgt, dass die Verleger nicht mehr an den nur den Urhebern zustehenden Tantiemen beteiligt werden. Es geht um viel Geld. Und das auf zwei Gebieten. Da geht es einerseits um Vergütungsansprüche, die aus den Schrankenregeln des Urheberrechts entstehen.

Jetzt ist es doch was für Juristen ...

... also, Schrankenregeln: Das heißt, ich bringe ein neues Speichermedium auf den Markt, ob seinerzeit eine Kassette oder heutzutage einen USB-Stick oder ein Smartphone. Und weil darauf Werke gespeichert werden können, zahle ich dafür eine Gebühr an die Verwertungsgesellschaft. Das macht fünf bis zehn Prozent vom gesamten Kuchen, die im Auftrag der Urheber durch die Gema von Herstellern eingesammelt werden. Der zweite Teil sind sogenannte Nutzungsrechte, das sind 90 bis 95 Prozent. Wenn eine Plattenfirma eine CD herstellt, dann muss die Plattenfirma eine Lizenz an die Gema zahlen, aber auch Veranstalter müssen eine Abgabe zahlen, das gilt für Radiosender, oder auch für Zeitungsverlage, wenn sie auf einem Sommerfest Musik laufen lassen, und natürlich für Discos. All dieses Geld wird nach verschiedenen Schlüsseln verteilt. Davon behält die Gema 15 Prozent, vom Rest gehen je nach Verteilungsschlüssel 33 oder 40 Prozent an den Verleger, bei 40 Prozent für den Verleger dann jeweils 30 Prozent an den Textdichter und an den Komponisten.

Woher stammen diese Rechte für Verleger?

Aus den Zeiten, als Verleger noch Noten gedruckt haben und für die Entlohnung der Künstler wichtig waren. In den vergangenen Jahren ging es angeblich immer noch um den Kampf für das Recht am geistigen Eigentum. Und diese Lobby hatte die Chuzpe, sich mit Verlagsverträgen bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers für eine kaum spezifizierbare Leistung einen Anteil von bis zu 40 Prozent zu sichern. Jetzt hat der einzelne Urheber die Chance zu überprüfen, ob er mit der Arbeit seines Verlages zufrieden ist oder nicht. Ich habe aus meinen Anrufen erfahren, dass viele Künstler unzufrieden sind. Ganz viele Musiker haben diese Zusammenhänge nie ganz kapiert. Die haben sich darauf verlassen, dass das alles passt. Es passte aber oft nicht. Jetzt können sie neu verhandeln.

Um wie viel Geld geht es?

Ein anderer Experte, Peter Ruzicka (Geschäftsführender Intendant der Salzburger Osterfestspiele, Anm. der Red.), hat das auf zwei Milliarden geschätzt. Man kann sich's aber auch ausrechnen. Was die Gema ausschüttet, sind 800 Millionen Euro pro Jahr. Jedenfalls müssen die Urheber tierisch Gas geben. Mit Ende Dezember verfallen sonst die Ansprüche für 2013.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Urheber, die Autoren, auf lange Sicht den Kürzeren ziehen?

Wir leben im digitalen Wandel. Für den Urheber wird es in Zukunft die einzige Gelegenheit sein, Geld zu verdienen. Die Verwertungsgesellschaften sind da so wichtig, dass sie nur noch von den Urhebern kontrolliert werden sollten, die ja die Rechte für ihre Schöpfungen maßgeblich halten.

Sie haben von zwei Milliarden Euro gesprochen, wollen selber Ansprüche bis 2010 stellen. Hört sich nach richtig viel Geld an.

Wann beginnen Sie mit dem Bau eines Stadtschlosses in Potsdam oder Berlin?

(lacht) Ich habe ja nach wie vor Schloss Cottenau, ein paar Kilometer von den Guttenbergs entfernt, und ich habe nach wie vor ein fränkisches Unternehmen im Landkreis Kulmbach. Auch noch Steuern bei den Preußen zu zahlen, das wäre zu viel.

Sie müssen über ganz schön viel Ausdauer verfügen. Wann haben Sie gleich noch mal begonnen?

Ende 2012 haben wir angefangen. Und es war nicht so einfach. Von Verlegerseite habe ich immer viel Häme abbekommen. Ich bin den politischen Weg gegangen, habe meinen Weg mit der Piratenpartei verbunden. Ich wollte, dass dieser Lebensbereich nicht nur im Sinne der großen Lobbys stattfindet, sondern demokratisiert wird. Das klingt abstrakt. Aber für mich als Musiker heißt das: Wenn die Zukunft nur noch digital ist, dann will ich als Autor auch die volle Verwertung, die volle Kontrolle, weil es möglich ist. Das Tragische ist, dass Musiker und Komponisten Eigenbrötler sind. Die Industrie der Verwertungsgesellschaften hat immer darauf gesetzt, dass sie auf deren Rücken immer ihre Geschäftsmodelle entwickelt. Vom Sitzen im gemeinsamen Boot war viel die Rede, aber nicht viel zu spüren.

Die Musiker und Kleinkünstler dürften Ihnen dankbar sein. Freuen Sie sich schon auf Ihren Platz in der Hall of Fame der Musik?

Mal gucken. Ich freue mich zurzeit, was ich an Mails und Zuschriften bekomme, von Leuten, die ich teilweise gar nicht kenne, von Leuten, die sich seit Jahrzehnten verarscht vorkommen, erst gestern Nacht hat sich ein bekannter Rap-Artist gemeldet, bei dem es um ungefähr 1,5 Millionen Euro Rückforderung geht.

Das Gespräch führte Michael Weiser

Zur Person

Bruno Kramm, Jahrgang 1967, ist ein deutscher Musiker, Musikproduzent und Politiker. Bis Ende September 2016 war er Landesvorsitzender der Piratenpartei Berlin, danach wechselte er zu den Grünen.

Musikalisch ist er vor allem als Teil des Dark-Wave-Duos "Das Ich" bekannt, machte sich aber auch als Musikproduzent und Geschäftsführer seines eigenen Labels "Danse Macabre" vor allem im Gothic-Bereich einen Namen.