Berlin - Der Mauerbau am 13. August 1961 in Berlin alarmierte auch die Schriftsteller auf beiden Seiten der neu befestigten Grenze. Im Westen richteten Heinrich Böll und Günter Grass, Martin Walser und Carl Zuckmayer einen dringenden Hilferuf an die Vereinten Nationen. Der Philosoph Ernst Bloch kehrte nicht mehr auf seinen Leipziger Lehrstuhl zurück.

Ostdeutsche Autoren begrüßten indes die Maßnahmen ihrer Regierung, so Erwin Strittmatter - oder Stephan Hermlin: "Von welchem Unrecht sprechen Sie?" Franz Fühmann sprach von "sozialistischen Panzern" am Brandenburger Tor und am Potsdamer Platz: "Und es ist gut, dass sie da stehen." Allerdings sollte sich der Traum vieler Autoren und Künstler in der DDR von mehr Freiheit im Schatten der Mauer bald als trügerische Hoffnung erweisen.

Auch ein "gesprächsbereiter Schriftsteller" wie Grass geriet auf der östlichen Seite ins Fadenkreuz. So stellte die Stasi bereits am 18. August, fünf Tage nach dem Mauerbau, einen "Suchzettel" gegen ihn aus. Und wenn er auch bei seinen späteren Einreisen in die DDR auf höchste Weisung nie festgenommen wurde, blieb Grass bis zum Mauerfall im Visier der Stasi, wie seine Akte minutiös belegt. Grass galt bald auf beiden Seiten für so manchen als Störenfried.

Nach dem Mauerbau - wie schon nach den Volksaufständen 1953 in der DDR und 1956 in Ungarn - boykottierten verschiedene westdeutschen Theater die Stücke des 1956 gestorbenen Bertolt Brecht. Der war nach dem Krieg aus dem Exil in die DDR gegangen und hatte das von ihm zusammen mit Helene Weigel gegründete Berliner Ensemble weltberühmt gemacht.

In Baden-Baden wurden Proben zu Brechts "Mutter Courage" abgebrochen. Der damalige Sender Freies Berlin (SFB) klinkte sich aus einer ARD-Übertragung des "Galilei" aus. Und der Intendant des Westberliner Schillertheaters, Boleslaw Barlog, sagte eine geplante "Puntila"-Aufführung ab: "So wenige Kilometer von der Mauer geht das einfach nicht."

Kurt Hübner in Ulm dagegen hielt trotz Bombendrohungen an Brechts "Prozess der Jeanne d'Arc zu Rouen 1431" fest; Regie führte der Brecht-Assistent Peter Palitzsch vom Berliner Ensemble, der danach allerdings im Westen blieb. Hübner meinte damals: "Brecht als Dichter und Politiker belehrt in diesem Stück nicht nur sich selber, er belehrt auch die Machthaber der Zone."