Der Zauberlehrling mit der Narbe schickte sich damals gerade an, 14 zu werden und sein viertes Abenteuer zu bestehen. Außerdem stand der erste Leinwand-Auftritt kurz bevor. Wer sich also in jenen Tagen dem Potter-Hype entziehen wollte, der hätte sich schon unter der Treppe einschließen müssen - oder zumindest mit einem gestaltlichen Patronus-Zauber gegen den Marketing-Wahnsinn vorgehen.

Oder man gab dem Ganzen eine Chance. Inmitten der mit Rennbesen aus Pappe, kuscheligen Schneeeulen aus der Kuscheltier-Ecke und ein paar von Halloween übrig gebliebenen Spinnweben dekorierten Buchläden kam es zu jener schicksalshaften Begegnung. Schon auf der ersten Seite des neugierig aufgeschlagenen dritten Bandes versuchte sich der Zauberschüler an einem Aufsatz. Das Thema lautete: "Die Hexenverbrennung im Mittelalter war vollkommen sinnlos - erörtern Sie diese These!" Harry Potter begann seine Argumente zu Pergament zu bringen - und hatte einen neuen Fan.

Abertausende Seiten voller Quiditsch-Turniere und Horkrux-Suchen, Zaubertrank-Stunden und UTZ-Prüfungen später bleibt der begeisterte erste Eindruck von der immer erfrischend fantasievollen Buchreihe bestehen. Doch Band drei sticht aus vielerlei Gründen heraus. Zwar ist er weder der dickste noch der düsterste Teil der Saga, doch mit dem "Gefangenen von Askaban" nimmt die Geschichte vom Jungen, der überlebt hat, erst richtig Fahrt auf. Wie in den beiden Vorgängern liefert Autorin J. K. Rowling mit neuen Schulfächern wie Wahrsagen oder dem kleinen Hippogreif-Knigge auch innerhalb der ehrwürdigen Schulmauern wieder viel zum Staunen, Mitfiebern und Lachen. Doch zum ersten Mal lüftet sie auch den Schleier über der magischen Welt außerhalb von Zauberschule Hogwarts. So enthüllt sie die Existenz eines Zaubereiministeriums, das mit den Muggeln - pardon: Menschen - Kontakte pflegt, und von Askaban, dem finsteren Zauberergefängnis, in dem noch finsterere Zauberer am besten für immer weggesperrt werden sollen.

Oberfiesling

Oder eben nicht für immer, denn Potter drei dreht sich um den Ausbruch des vermeintlichen Mörders Sirius Black. Den baut Rowling zunächst zu einem Oberfiesling auf, der die Auftritte des bösen Lords Voldemort aus den Vorgängern lässig in die Tasche steckt. Ein Schuljahr lang steuert die Handlung auf die unvermeidliche Konfrontation zwischen Potter und Black zu. Währenddessen erfährt Held Harry, was ein gestaltwandelnder Animagus ist, dass auch Werwölfe richtig gute Kerle sein können und wie ein Patronus-Zauber vor Grusel-Geistern schützt.

Zum Finale, als Harry Potter seinen Widersacher mit zornig-zitterndem Zauberstab konfrontiert, fährt die Autorin dann eine handfeste Überraschung auf und zeigt, dass auch in einer Welt voller Magie Gut und Böse nicht immer scharf zu trennen sind. Dass das Gute am Ende aber trotzdem klar und hell erstrahlt und natürlich auch auf ganzer Linie triumphiert, dürfte angesichts der Existenz von vier folgenden Bänden niemand überraschen.

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Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Carlsen-Verlag, gebunden, 448 Seiten, 16,90 Euro.