Hof - Auch knapp vier Wochen nach seinem groß gefeierten 250. Geburtstag ist das Interesse an Jean Paul (1763 bis 1825) in der Region noch lange nicht erlahmt. Beim Kammerkonzert "Poesie der Luft" der Hofer Symphoniker fanden sich am Mittwoch erfreulich viele Interessierte im Haus der Musik in Hof ein. Sie hörten nicht nur Kompositionen von Zeitgenossen und Bewunderern des Dichters, sondern auch "Bemerkungen zu Jean Paul und zur Musikalität des Erzählens" von Michael Thumser, Kulturautor der Frankenpost.

Das Thema des Abends gibt der Jubilar selbst vor: "Musik ist die Poesie der Luft." Damit habe Jean Paul "eine Liebeserklärung an alle drei in einem Atemzug" gemacht, führt Michael Thumser in seinen "Bemerkungen" aus: "An die Ton- und an die Dichtkunst und an die Natur." Johann Paul Friedrich Richter, der von Jugendtagen an ein Schreiber war, "wie es so leicht keinen zweiten gab", sei in der Musikalität seiner Sprache ebenso nahezu unerreicht. "Auch über Musik schrieb er mit Worten, die selbst wie Musik sind." Klang und Rhythmus durchzögen Jean Pauls stilistisch gelungene Prosa, das zeige sich in jedem Kapitel - etwa des Romans "Titan". Thumser: "Darin lebt die Sprache: Sie regt sich und reagiert, färbt sich oder erblasst ..., weitet ihre Lungen oder kommt dämmernd zur Ruhe. ... Was sich hier ereignet, ist nicht nur verbaler Laut und Geräusch. Hier spielt Musik."

Diesen Satz haben die Musiker der Hofer Symphoniker als Aufforderung verstanden, die den Vortrag mit kammermusikalischen Werken sozusagen umarmen. Ganz klassisch-modern darf da die exotische Bass-Flöte von Martin Seel bei dem Stück "Dämmerschein" des Hofer Komponisten Wolfram Graf (Jahrgang 1965) die ästhetischen Träume, in denen Jean Paul so gerne schwelgt, aus dem dämmernden Arkadien wecken. Seels Flöte - diesmal in deutlich höherer Stimmlage - ist es auch, die anstelle einer
Singstimme zur Klavierbegleitung von Chie Honda den Worten des Dichters selbst Gehör verschafft: dem Zitat "O wär' ich ein Stern"
aus den "Flegeljahren" in charakterlich völlig verschiedenen Bearbeitungen der Jean-Paul-Zeitgenos-
sen Adolf Emil Büchner (1826 bis 1908), Albert Jungmann (1824 bis 1892) und Robert Pflughaupt (1833 bis 1871).

Als Jean Pauls "eifrigsten Apostel" beschreibt Michael Thumser den Komponisten Robert Schumann (1810 bis 1856). Von ihm, dem Schöpfer so wunderbarer Symphonien und flammenden Verehrer des (hoch-)fränkischen Dichters, erklingt der erste Satz seiner Violinsonate a-Moll, opus 105. Alex Köhn, Violine, und Violetta Köhn, Klavier, interpretieren das leidenschaftliche Werk energisch und mit großen Gesten. Das ist Musik, wie sie Jean Paul hätte gefallen können.

Ebenso wahrscheinlich die unvollständige Sonate für Viola und
Klavier d-Moll des Russen Michail Glinka (1804 bis 1857), die, als Alexander Efimov, Viola, und John Groos, Klavier, mit ihr das Kon-
zert eröffnen, allerdings ganz andere Fantasien hervorruft: Ihr vitaler, fröhlicher Duktus im ersten Satz weicht einer nachdenklich-melancholischen Stimmung; einer Stimmung, in der ein fantasiebegab-
ter Mensch wie Jean Paul vielleicht dahinziehenden Wolkengebilden nachgeblickt hätte.

Den Schlussakkord unter das abwechslungsreiche Kammerkonzert, das die Zuhörer mit reichem Beifall belohnen, setzt einer, dessen Musik der Dichter gekannt haben könnte: Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827). Die
Sonate für Violoncello und Klavier Nr. C-Dur, opus 102,1, die zum Spätwerk des Musik-Meisters gehört, spielen Alexey Shestiperov, Violoncello, und Yasuo Sugimoto-Shestiperov, Klavier, meisterlich mit großen Ausdruck: ein überzeugtes, überzeugendes Finale, das die Luft-Poesie seiner Vorgänger vielleicht wieder ein bisschen erdet.

Jean Paul schrieb über Musik mit Worten, die selbst wie Musik sind.

Michael Thumser