Hof - Ein Mann bebt vor Zorn. Auch sein Sohn sah rot, freilich anders. Der Vater geht randalierend die Wände hoch. Denis, der Sohn, kehrte Deutschland insgeheim den Rücken, um in einen Kampf in der Fremde zu ziehen. Der Mann hat wutschnaubend den Schauplatz einer Regensburger Pressekonferenz verwüstet. Der Junge, als "heiliger Krieger" des islamistischen Dschihad, war ausersehen, als "Mörder oder Selbstmörder" für den "Islamischen Staat" zu sterben. Wild liegen Mikrofone und Möbel durcheinander: Wie nach einer Bombenexplosion sieht es im Studio des Theaters Hof aus, wie auf einem Schlachtfeld.

"Dschihad one-way": Der Weg in Blut und Tod wird schnell zur Einbahnstraße. Auf sie schickte Bernd Plöger das Uraufführungspublikum, das am Freitag betroffen, aber lang applaudierte. Den wahren Fall eines Kemptener Schülers hat der Autor und Regisseur (wie berichtet) gründlich recherchiert. Damit Theater auf der Fülle der Fakten gedeiht, breitet sein Einpersonenstück sie wie die Steine eines Mosaiks vor dem Zuschauer aus, keineswegs zusammenhanglos, dennoch absichtlich von Rissen und Brüchen durchzogen. Was den Vater und den Sohn miteinander verschweißt, ist die Wut der Verzweiflung. Etwas Uneigentliches, borstig Poetisches gewinnt der Text so, in dem Plöger mit den rüden Unverblümtheiten schäumenden Unmuts nicht hinterm Berg hält. Gleichwohl wird seine "Spurensuche" konkret: durch die Genauigkeit der Schlaglichter, die er auf die Frage nach den Beweggründen wirft. Was führt, wer verführt einen "ganz normalen Schüler" dazu, sich vom friedlichen Bürgerleben loszuschneiden und den Schritt in den "Alltag" banaler und brutaler Gewalt zu gehen?

"Die Zeit des Dialogs ist längst vorbei", schreit der Vater: Auf friedliche Krisenbewältigung zwischen den Fundamentalisten und ihren Todfeinden braucht keiner zu hoffen. Auch zum Dialog der Generationen kommt es auf der Bühne nicht: Nur ein Erwachsener tritt auf - und allerdings vervielfacht sich der zu mancherlei Rollen. Derart kurz und bündig wie in Hof kann dies nur ein so souveräner Spieler wie Alexander Wipprecht leisten. In seiner Rage reißt er ebenso überwältigend mit wie in seiner unheilvollen Ruhe, seine Ausbrüche klagen so unerbittlich an wie die Leerstellen der Beklommenheit.

Noch das Wenige, was hier und da spaßig aufzublitzen scheint, entlarvt er als bittere Lächerlichkeit: das schwuchtelige Willkommen durch den Pressesprecher der Stadt, die Salbaderei eines dampfplaudernden Jugendamtsleiters, die Verständnislosigkeit verdatterter Lehrer. Fast wortlos statt wütend zitiert Wipprecht die Mutter herbei, die "Schuld" in eigenem Versagen sucht, und hängt als Vater verlorenen Illusionen nach: Er will, dass der "Killer" mit dem "Engelsgesicht" zu ihm "zurückkommt, dass er davonkommt. Ich wünsche mir so sehr ein Happy End."

Lauter Erwachsene. Trotzdem: Vor allem Jugendliche wolle er "berühren", betont der Autor des scharf schneidenden, zugleich kunstvoll schwebenden Textes. Besonders den "Kids" ab vierzehn Jahren legt er ihn ans Herz und hat seinem Zielpublikum, so wie den Großen, viel Bestürzendes mitzuteilen; endlich auch dadurch, dass Denis selbst zu Wort kommt. "Routine, Routine": Im IS-Trainingscamp, im Gleichlauf einer Gegenwelt, hat der Junge "zwischen Tod und Tod" gelebt, um irgendwann als Kämpfer oder Selbstmordattentäter missbraucht zu werden - jedenfalls als "Kanonenfutter" im sogenannten Dritten Weltkrieg, dem gegen den Terror. Sein Großvater, als 14-jähriger Flakhelfer der Nazi-Wehrmacht, war schon welches. Vielleicht der Urgroßvater auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs auch? Wie soll das noch "happy" enden? Krieg, dies belegt Denis als Fall und als Mensch, ist immer un-,,heilig" und nur mit Kindern zu führen.

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Weitere Vorstellungen am 23. und am 24. Juni, jeweils um 10 und 12 Uhr. Die mobile Produktion kann unter der Telefonnummer 09281/7070193 gebucht werden.