Christoph Martin Wieland aus dem oberschwäbischen Oberholzheim war einer der bedeutendsten deutschen Dichter und Denker und – neben Lessing – der wichtigste Aufklärer. Durch sein Wirken am Weimarer Hof als Erzieher des künftigen Herzogs hat er die Weimarer Klassik, die vor allem mit Goethe, Schiller und Herder ihre Blütezeit erlebte, vorbereitet, ja vermutlich erst möglich gemacht.

Geboren wurde Wieland am 5. September 1733, also vor 275 Jahren, als Sohn eines Pfarrers – wie Jean Paul. Und ähnlich wie der oberfränkische Dichter erhielt auch Wieland von klein auf eine gute, wenn auch pietistische, Bildung: Schon als Zwölfjähriger versuchte er sich an ersten Versen – in Latein und Deutsch. Zur Lektüre des jungen Mannes gehörten natürlich die Klassiker aber auch „moderne“ Autoren wie Voltaire, Bayle und Klopstock, den er in jungen Jahren sehr verehrte. Immer war Wieland auch offen gegenüber anderer europäischer Literatur, schätzte Cervantes’ „Don Quijote“ und natürlich Shakespeare, dessen Werke er später als einer der ersten adäquat ins Deutsche übersetzte. Dadurch und durch die Übertragungen der Werke von Cicero und Horaz bereicherte er die deutsche Literatur mit einer neuen europäischen Tradition.

Erster deutscher Bildungsroman

Auch in den eigenen Arbeiten legte er sich, ganz der Aufklärung verpflichtet, nie auf eine Form fest; sein Werk weist sowohl Gedichte – auch nach griechischem Vorbild – auf als auch Briefwechsel-Romane, Opern- und Singspiel-Libretti, Epen, Dramen, Märchen oder Verserzählungen wie „Oberon“ (1780). Sein Roman „Geschichte des Agathon“, der von 1761 an über mehrere Jahre entstand und deutlich von Autoren wie Fielding, Sterne und Richardson beeinflusst war, begründete den deutschen Bildungsroman und die psychologische Erzählkunst, die Goethe später in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ weiterführen sollte. „Agathon“, so urteilte Lessing, sei der „erste und einzige deutsche Roman für den denkenden Kopf von klassischem Geschmack“.

Eines von Wielands Werken – der Staatsroman „Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian, eine wahre Geschichte“ aus dem Jahr 1772, in dem der Autor in morgenländischem Kostüm das ganze Repertoire seiner eleganten, witzigen Erzählkunst entfaltet – war es auch, das Anna Amalia von Sachsen-Weimar auf den Dichter, der damals als Professor in Erfurt lehrte, aufmerksam machte; und sie veranlasste, ihn 1772 als Erzieher ihrer Söhne nach Weimar zu holen. Der Roman erläutert, laut Wieland, „was die Großen und Edlen einer gesitteten Nation aus der Geschichte der Menschheit zu lernen hätten“.

Mit Ironie, Eleganz und Grazie

Damals freilich hatte sich in seinem Denken längst eine Veränderung vollzogen. Unter dem Einfluss der Schriften Voltaires, Horaz’, Cervantes’ und Shaftesburys sowie des sinnenfreudigen Kreises um den Grafen von Stadion, bei dem er einige Zeit lebte, hatte Wieland sich völlig von dem religiös-empfindsamen Enthusiasten, der als junger Mann den Aufklärer Johann Christoph Gottsched noch vehement bekämpft hatte, von den „ätherischen Sphären“ (Lessing) also, abgewandt. Stattdessen war er nun ein überzeugter klassischer Vertreter der Aufklärung, der in seinen Schriften vor allem die verstandesmäßige Haltung vertrat – und sie zu vermitteln wusste durch einen unverwechselbaren Stil, dessen Hauptmerkmale spielerische Ironie, Eleganz, Grazie, Anspielungsreichtum und große Formsicherheit sind. Seine Anliegen, vor allem die Forderung nach einer Vereinigung von Vernunft und Gefühl, brachte Wieland nicht selten in antiker Verkleidung, bei aller Toleranz aber immer sehr deutlich zum Ausdruck.

Seine Zeit als Erzieher des künftigen Herzogs Karl August dauerte nur etwa drei Jahre, doch Wieland blieb danach mit seiner vielköpfigen Familie in Weimar – als Schriftsteller mit Pension, der Anna Amalia als Gesellschafter und Berater zur Verfügung stand. Bis 1810 gab er zudem mit dem „Teut-
schen Merkur“ die erste wichtige literarische Zeitung Deutschlands heraus. Bis zu seinem Tod lebte Christoph Martin Wieland in Weimar; er starb am
20. Januar 1813.