Schwarzenbach/Saale - Skrupel kannte sie nicht. Und ihr Sehvermögen war eingeschränkt. So konnte es passieren, dass Erika Fuchs, die 1906 in Rostock geboren wurde und 98 Jahre später in München gestorben ist, in eine Sprechblase "Erdbeereis" schrieb, obwohl sich auf dem Tablett im dazugehörigen Bild unverkennbar ein schäumendes Getränk befindet. Ernst Horst, dem Autor des Buches, in dem laut Untertitel dargelegt wird, wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte, meint dazu: "Das Wichtige war bei ihr das Wort, und wenn es nicht zur Zeichnung passte, desto schlimmer für die Zeichnung."

Horst kannte Erika Fuchs persönlich. Um ihm eine Freude zu machen, baute die Übersetzerin seinen Namen einmal in einen Donald-Comic ein. Der D.O.N.A.L.D. (Deutsche Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus) ist der 1951 geborene Autor, ein Mitarbeiter des FAZ-Feuilletons, als Gründungsmitglied und Ehrenpräsiderpel - ja, so heißt das - eng verbunden. Das hindert ihn nicht, sich über die Donaldisten ein wenig lustig zu machen. Für sie, schreibt er, sei Erika Fuchs "eine Prophetin von biblischer Größe. Sie lesen die Berichte aus Entenhausen wie die Zeugen Jehovas die Bibel."

Frau Fuchs selbst, die ein nüchterner Mensch gewesen ist (darum der Buchtitel "Nur keine Sentimentalitäten!"), ging die ganze Sache legerer an. Ihr war, meint Horst, jeder Anlass recht, mit schönen Wörtern zu spielen. Auf deren Wohlklang kam es ihr mehr an als auf den Sinn. Sie liebte zusammengesetzte bildhafte Substantive wie Wunderkind, Geistesblitz, Mutterwitz und Fabelwesen. Und sie zitierte nach Herzenslust, vor allem aus den Werken der Klassiker. Ein großer Teil ihre OEuvres ist Zitat. Kaum etwas, weiß der Buchautor, habe sie erfunden. Nicht einmal der berühmte Ausspruch "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör", den sie Daniel Düsentrieb in den Mund legte, stammt von ihr selbst. Horst vermutet, dass sie eine Art sportlichen Ehrgeiz hatte, sich möglichst wenig selbst auszudenken, aber immer so zu tun, als ob.

Eine Sprachkünstlerin

Dennoch war sie eine Sprachkünstlerin, eine "absurde". Bei der Zitatensuche half ihr der Ehemann. Er hieß Günter Fuchs, war ein Schwarzenbacher Fabrikant und Erfinder und seit 1973 Honorar-Professor an der TU in München. Beide lernten sich während des Studiums kennen; sie heirateten 1932 und hatten zwei Söhne.

Erika Fuchs, die als 14-Jährige gegen viele Widerstände durchsetzte, dass sie in der pommerschen Kleinstadt Belgard als erstes Mädchen das Knabengymnasium besuchen durfte, studierte Kunstgeschichte und promovierte über einen Barock-Bildhauer namens Feichtmayr. Nachdem sie für Reader's Digest und andere Zeitschriften als Übersetzerin tätig gewesen war, nahm sie das Angebot an, "Chefredakteurin" der "Micky Maus"-Hefte zu werden, die ab 1951 in Deutschland erschienen. Ihr Doktortitel sollte die damals allgemein als "Schundheftchen" geltende Publikation veredeln.

Erika Fuchs übersetzte nicht eigentlich, sie schöpfte neu. Für Comics interessierte sie sich über ihre Arbeit hinaus in keiner Weise. Horst betont, dass ihr Humor mit Loriot mehr gemeinsam habe als mit dem "Peanuts"-Erfinder Charles M. Schulz. Da sie wertkonservativ und sehr gebildet war, spricht man bei ihr in ganzen Sätzen und verwendet den Konjunktiv korrekt. Englische Ausdrücke vermied sie stets. Ihr Entenhausen - das im Original Duckburg heißt - ist einerseits ein Abbild ihrer privaten Welt, andererseits eine Alltagsgeschichte des westdeutschen Bildungsbürgertums der 1950er- und 1960er-Jahre.

Natürlich geht Horst auch der Frage nach, wo dieses Entenhausen, das manchmal klein und ländlich, manchmal wie eine pulsierende Metropole erscheint, eigentlich liegt. Irgendwo in Deutschland, antwortet er. Genauer legt er sich nicht fest. Allerdings weist er darauf hin, dass eine stattliche Anzahl der von Fuchs verwendeten Namen aus Oberfranken stammt, darunter Schnarchenreuth, Kirchenlamitz, Rehau und die Schiefe Ebene. Das - Schwarzenbacher - Amtsblatt und das Wiesenfest kommen vor, auch ein beliebtes fränkisches Gericht, das von Horst als "eigschnidda Klees" (fehlt da nicht ein n hinter dem Doppel-d?) bezeichnet wird. Und er betont, dass Fuchsianer, die in diese Region pilgern, immer wieder neue Entdeckungen melden. Also stimmt vielleicht doch, dass Entenhausen identisch mit Schwarzenbach und seinem Umland sein muss.

Im Lande der Ducks

Wie und wo auch immer: Horst beschäftigt sich mit Erziehung und Wissenschaft im Lande der Ducks, mit Literatur und Musik dortselbst, mit Essen und Trinken, Fauna und Flora, Mann und Weib ("Die Entenhausener Gesellschaft ist eher sexualfeindlich"). Sehr gründlich geht er dabei vor, aber wissenschaftlich trocken ist seine Forschungsarbeit nicht. Im Gegenteil: Er formuliert durchwegs munter; überdies machen zahlreiche Illustrationen die Lektüre vergnüglich. "Ich amüsier mich wie ein Schneekönig", würde wohl Donald dazu sagen.

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Ernst Horst: Nur keine Sentimentalitäten! Blessing, 384 Seiten, gebunden, 22,95 Euro.