Seine ersten beiden Romane, "Immer dieselben Witze" und "Stellt mir eine Frage", spielen in der Nachkriegszeit unter Juden in New York, wo der 1942 geborene Autor Steven Bloom aufgewachsen ist. Jetzt hat er, wie im richtigen Leben, den Schauplatz gewechselt. Bloom nämlich ist mit einem Lehrauftrag für amerikanische Landeskunde in Heidelberg tätig. Diese Stadt macht er zum Handlungsort seines neuen Buchs, das mit einem Mord auf dem Schlossgelände beginnt; das Opfer ist ein amerikanischer Tourist - und ein Jude dazu. "Das hat uns gerade noch gefehlt", seufzt in der allerersten Zeile der Leiter des städtischen Tourismusbüros.

Ein Kriminalroman? So scheint es. Doch für Gewaltverbrechen und deren Aufklärung interessiert sich der Autor nicht wirklich. Auf gewöhnlich weniger folgenschwere, aber weit verbreitete Vergehen richtet sich sein Blick. "Die menschliche Schwäche" heißt der Roman, und als Motto geht ihm ein alter jüdischer Witz voran: Moses steigt vom Berg herab und sagt, er habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute sei, er habe Ihn auf zehn Gebote runtergehandelt. "Die schlechte ist, Ehebruch ist noch dabei."

In Blooms Roman geht nicht nur der Oberbürgermeister fremd; er ist mit einer Isolde verheiratet, die nach eigenem Bekunden nur durch Streit mit der Köchin in Erregung versetzt werden kann. Auch beider Tochter, die Dichterin werden will, stürzt sich, weil ihr nichts einfällt, in den Ehebruch - "als springe sie in einen Abgrund". Ferner bricht ein sexbesessener Professor namens Eisenberg die Ehe, und sogar sein moralisch gefestigter Kollege Cederbaum steht kurz davor, Gleiches zu tun. Cederbaums Frau, die Bücher schreibt, hätte wohl Verständnis dafür. Denn mit verächtlichem Seitenblick auf Spionageromane teilt sie mit: "Wir Flauberts und Tolstois bevorzugen das große Thema Ehebruch."

So auch Steven Bloom, der in seinem ersten Roman, aus dem er im Jahr 2000 in Hof vorlas, über die Ehe schrieb, sechs Monate sei sie das Paradies und für den Rest des Lebens eher wie Gehenna - das ist der Ort, an dem die Gottlosen nach dem Endgericht im Feuer brennen. Anders freilich als bei den großen Vorbildern lösen Fehltritte im Eheleben bei Bloom keine Tragödien aus. Der Beckett-Satz, dass nichts komischer als das Unglück sei, trifft auf seine Einstellung zum letztlich "unmöglichen" Leben zu. Mit Verve und - jüdischem - Witz erzählt er seine Heidelberger Gesellschaftssatire, die immer mal wieder die unglückselige deutsch-jüdische Vergangenheit thematisiert.

Auf jeder Seite des Buches ist zu spüren, dass sich ein kluger Kopf diese Kriminalgeschichte ausgedacht hat. Bloom, dessen Erzählkunst sich vor allem durch das prägnante Pingpong der Dialoge auszeichnet, hat Unterhaltung mit Tiefgang zu bieten. Obwohl die Frage "Wer war's" am Ende unbeantwortet bleibt, ist sein Roman eine absolut runde Sache. Ralf Sziegoleit

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Steven Bloom: Die menschliche Schwäche. Wallstein, 192 Seiten, 18,90 Euro.