Peter Wawerzinek, Schriftsteller und Performance-Künstler, hat in diesem Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten. Der Text, den er der Jury vortrug, stammt aus einem Buch, das in Kürze auf den Markt kommen wird: "Rabenliebe". Wawerzinek hat eine Rabenmutter: Sie floh kurz nach seiner Geburt im Jahr 1954 aus Rostock und ließ ihn als Waise in der DDR zurück. Die "Mutterlosigkeit" prägt sein größtenteils autobiografisches Werk. Schon 1994 schrieb er über "Das Kind das ich war"; das Buch erschien, wie eine Reihe anderer Prosawerke des Autors, im Berliner Transit-Verlag und wurde jetzt neu aufgelegt (130 Seiten, gebunden, 14,80 Euro). In verschiedenen Heimen und später in verschiedenen Pflegefamilien reichte man das Kind Peter Wawerzinek, das eigentlich Peter Runkel hieß, herum. Lange Zeit blieb es stumm. Als er vier war, schreibt der Autor in seinem Buch aus den 90er-Jahren, habe er außer "Mama" nichts über die Lippen gebracht. Zum "Verlierer auf Lebenszeit" habe er sich abgestempelt gefühlt. Hinweise auf sein Interesse an Kunst, auf sein Talent zum Zeichnen klangen dem Pflegevater "schlimm im Ohr. Ihm war Kunst nicht die Krume des leeren Brotfaches wert." Viel mecklenburgisches Lokalkolorit fließt in die mit eigenwilliger, erfindungsreicher Sprache erzählte Kindheitsgeschichte des unglücklichen "Heimers" ein. Und viel auch vom Leben im Sozialismus, wo die Kinder "in kleinsten Schlücken aus dem flachen Agitpropbrunnen tranken". Zwar weilte der kleine Peter unter Menschen, "die zu allem Ick bün tofreden sagten". Doch wirklich zufrieden waren sie nicht. Waren sie doch auch Menschen, "die sahen, dass es nicht recht vorwärts ging mit den Kampfgenossen, die in der Gazette von Erfolgen lasen und Tje son Ding ugg sagten, wenn es um die Ecke laut Statistik 1970 mehr brütende Graugänse als 1960 gab. Und Schietkram dazwischenriefen, wenn das Tagblatt von großen Fortschritten im Kampf der Systeme schrieb."