„Yes, we can repair this world. Yes, we can.“ Das mächtigste Land und der Rest der Welt hängen an den Lippen eines Hoffnungsträgers. Mit wie viel Fortune Barack Obama als noch junger, überdies erster farbiger US-Präsident auch wird rechnen dürfen – seine Parole, die derzeit eher nichtssagend über den Globus schallt, steht schon mal in der Geschichte des 21. Jahrhunderts.

Zu neu: Zwangsläufig fehlt der Slogan in Helge Hesses Streifzug „Ich habe einen Traum“; dafür begleitet der Autor den Leser mittels 80 anderer Sätze ebenso prominenter Herkunft durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Geflügelte Worte, oft als Redensarten landläufig – in ihrer Prägnanz gerinnt eine verzwickte historische Erscheinung oder Etappe zu Griffig- und Durchschaubarkeit. „Wir haben uns schrecklich geirrt“, bekannte US-Verteidigungsminister Robert McNamara mit Blick auf das Debakel des Vietnamkriegs. Mit „All you need is love“ verschafften die Herren Lennon und McCartney der Gewaltmüdigkeit einer unangepassten Generation Ausdruck. „Wir sind das Volk!“, skandierten die Demonstranten in der untergehenden DDR. Und als der Kapitalismus über den Kommunismus gesiegt zu haben schien, verkündete Francis Fukuyama mit neokonservativer Zuversicht „Das Ende der Geschichte“. Dabei hatte ein paar Jahrzehnte zuvor Oswald Spengler den „Untergang des Abendlandes“ beschworen.

Buch- und Songtitel, ausgefeilte Aphorismen oder schnoddrige Aperçus („Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, Helmut Schmidt) finden sich bei Helge Hesse aufgereiht wie Perlen auf der Schnur der Chronologie. Seine wohl bemessenen Erläuterungen dazu verschaffen ein vielfältig buntes, dabei sich zunehmend schließendes Porträt einer jüngsten Vergangenheit, die selbstzerstörerisch ihre Zukunft aufs Spiel setzte. Beeindruckend in der Übersicht, deutlich, indes nicht unelegant in der Darstellung fasst der Autor langjährige Entwicklungen zu grundlegenden Linien zusammen, so dass sie im jeweils gewählten Diktum wie in einem Brennspiegel aufeinandertreffen. Verläufe von Politik und Wirtschaft, Krieg und Frieden zwischen Kaiser Wilhelm II. und Deng Xiaoping skizziert er ebenso wie die Entfaltungen der Künste und der Wissenschaften, der Philosophie und Psychologie („Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“, Sigmund Freud). Verfechter der Reaktion wie Ronald Reagan kommen zu Wort neben Friedensaposteln wie Mahatma Ghandi oder Martin Luther King, dem das Buch den Titel verdankt. Die sozusagen anekdotische Methode verleitet den Autor indes nicht, sich oberflächlich an plakativen Fakten entlang zu hangeln; er kommentiert, ja kritisiert auch und denkt aus dem 20. ins 21. Jahrhundert voraus.

Wie trefflich jene Methode verfängt, bewies vor zwei Jahren schon Helge Hesses Gang in wiederum „80 Sätzen durch die Weltgeschichte“: Luther mit seinem (ihm zugedichteten) Ausspruch „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ lieferte damals den Titel, flankiert von Stichwortgebern aus der Antike bis George W. Bush. Statt auf abstrakten Jahreszahlen gründen all die fesselnden historischen Lektionen auf großen Sprüchen, hinter denen – anders als üblich – stets mehr steckte als nur heiße Luft.

Helge Hesse: Ich habe einen Traum. Eichborn-Verlag, 357 Seiten, gebunden, 19,95 Euro.