Nora Gomringer kommt viel herum. Ihr neues Buch widmet sie ihrer Mutter und anderen Leuten, mit denen - wie sie in der Widmung formuliert - die Luft vieler Städte und Länder weht - Deutschlands und der Schweiz, Venedigs und New Yorks, Pennsylvanias, Pekings, Russlands und Islands. "Nachrichten aus der Luft" heißt der Gedichtband, der in drei Abteilungen - Luftbrücke, Luftwege, Luftspiegelung - rund 50 Texte enthält, darunter so umfangreiche wie das 13-teilige, in Nowosibirsk entstandene "Seq Chapter" und so kurze wie "Seitensprung" ("Ein / Nachtnichts") oder die "Bauernidylle" ("Vater Mutter Rind").

Sie kann komisch und fröhlich dichten, aber geradezu Luftsprünge absolviert Nora Gomringer nicht. Wenn's um die Liebe geht, kommt schon mal ein "Lied für Idiotin" zustande, oder es läuft aufs Abschiednehmen hinaus: "Und eines Tages gehst du und nimmst den Hund ... Hoffentlich hat der dann Flöhe." Sarkasmus ist im Spiel und hilft dabei, heiklen Themen beizukommen. Ein Gedicht mit dem Titel "Ich höre: Du stirbst" endet nach nur acht Zeilen so: "Das ist doch zum Kotzen."

Sie mache beim Schreiben vor nichts Halt, sagte die 30-jährige Autorin in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk; in ihren Gedichten werde verhandelt über Mensch und Welt, über Du und Ich. Gedichtwürdig kann ihr ein Besuch beim Frauenarzt ("Bilderbuchuterus: Wie schön alles in Ihnen liegt") oder eine Liebesnacht sein, aus der ein mit "null Antwort" endendes Zahlenspiel wird ("Wir trafen uns um sieben und es / waren sechs Stunden und in diesen / Stunden drei Orgasmen").

Kaum etwas findet sich in diesem Buch von dem, was der Literaturwissenschaftler Peter von Matt als Problem der Lyrik diagnostizierte: "verdächtige Pracht". Leicht und klar, spontan und wie mitten aus dem Leben gegriffen wirken die Texte, frei von aufgesetztem Wohlklang, von Raunen und Verrätselung. Dem spielerischen Charakter ist auch der sehr lebendige Satzspiegel angepasst.

Gedichte zu hören, meint Nora Gomringer, sei generell wichtig. In ihrem Fall gilt dies besonders, pflegt sie doch enge - und von vielen Erfolgen gekrönte - Kontakte zur Performance-Poesie-Szene. Dem Band ist denn auch, wie bereits zwei früheren der als Vortragskünstlerin brillierenden Autorin, eine CD beigegeben. Ralf Sziegoleit

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Nora Gomringer: Nachrichten aus der Luft. Verlag Voland & Quist, 77 Seiten, gebunden, plus Audio-CD, 15,90 Euro.