Als sie 2004 mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt wurde, weigerte sich Elfriede Jelinek, nach Stockholm zu fliegen und den Preis entgegenzunehmen - aus Angst. "Ich verspüre mehr Verzweiflung als Freude", sagte sie damals. "Ich eigne mich nicht dafür, als Person an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Da fühle ich mich bedroht." Der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees kam nach Wien und ehrte sie in der schwedischen Botschaft. Als "Nobelpreis-Erträgerin" wurde sie daraufhin von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung tituliert. Angst und psychische Labilität machten und machen der Schriftstellerin, die heute vor 65 Jahren in Mürzzuschlag/Steiermark auf die Welt kam und in Wien aufwuchs, immer zu schaffen. Als Kind war sie in der Kinderpsychiatrie, den ersten psychischen Zusammenbruch erlitt sie nach der Matura. Ihre Jugend verbrachte sie unter dem Eindruck eines psychisch kranken Vaters einerseits und einer Mutter andererseits, die den Ehrgeiz hatte, die Tochter zu einem musikalischen Wunderkind zu drillen; schon in der Volksschule erhielt Elfriede Klavier-, Gitarren-, Flöten-, Geigen- und Bratschenunterricht, mit dreizehn wurde sie ins Konservatorium der Stadt Wien aufgenommen und studierte dort Orgel, Klavier, Blockflöte und später Komposition. Das Studium der Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft musste sie für ein Jahr unterbrechen. Der Grund: wieder Angstzustände. In diesem Jahr lebte sie in völliger Isolation - und begann zu schreiben. Erst Gedichte, dann einen Roman. Nach dem Tod des Vaters, der in völliger geistiger Umnachtung starb, erholte sie sich und begann, sich politisch zu engagieren. Sie heiratete 1974, und ein Jahr später gelang ihr mit "die liebhaberinnen" der literarische Durchbruch. Stets hat die Schriftstellerin das Publikum polarisiert wie kaum einer ihrer Kollegen: Wegen der einseitigen Rezeption ihrer Arbeiten und der politischen Situation in ihrer Heimat erließ sie sogar zweimal - 1995 und 2000 - Aufführungsverbote ihrer Stücke in Österreich. Obwohl so überaus produktiv und auch vielfach ausgezeichnet, hat sich Elfriede Jelinek in jüngster Zeit immer mehr zurückgezogen. Selbst für ihre Werke kann sie sich nicht überwinden, ans Licht der Öffentlichkeit zu treten; ihr neuster Roman "Neid" erscheint nur noch online. Sie selbst hat ihre Angstzustände, die sie nicht los wird, so beschrieben: "Ein Verlorengehen, ohne sich von der Stelle zu rühren."