Hof - "Den Anstoß", sagt Norbert Hofmann, "hat eigentlich die Kubakrise vom Herbst 1962 gegeben." Sie gilt als Höhepunkt des Kalten Krieges, und viele - besonders an der Ost-West-Grenze - hatten Angst, es könne ein heißer daraus werden. Aus eigenem Erleben und historischer Kenntnis heraus wollte Hofmann schreiben, um den Irrwitz und die Sinnlosigkeit von Kriegen aufs Korn zu nehmen. Aber dann kam vieles anders: Die Figuren, die der Autor sich ausgedacht hatte, verselbstständigten sich, aus einem Ich-Erzähler wurden zwei, und der Umfang des Buches nahm so sehr zu, dass Hofmann beschloss, auf Historisches weitgehend zu verzichten.

Die Hauptcharaktere der "Hängepartien" - so heißt sein Roman - sind zwei eng miteinander befreundete Schüler, Micha Sommer und Bobby Winderhalder. Der eine ist reich, der andere eher arm, der eine ein Frauenheld, der andere eher schüchtern. Beide spielen erfolgreich Fußball und Schach - wie der Autor selbst im richtigen Leben: Mit 13 Jahren bezwang er bei einer Simultan-Veranstaltung den Bamberger Großmeister Lothar Schmid, worauf dieser ihm ein Buch aus seinem Karl-May-Verlag schenkte, was Hofmann allerdings nicht zu schätzen wusste: Er war literarisch schon weiter; er las Dostojewski.

Es liegt nahe, das Buch für autobiografisch zu halten. Im Grunde fragt man sich bei der Lektüre bloß, ob Autor Hofmann der Micha oder aber der Bobby ist. "In Wahrheit jedoch", sagt er selber, "bin ich keiner von beiden." Im gleichen Atemzug allerdings zitiert er eine Bekannte, die nach der Lektüre des Buches befand: "Du bist doch eigentlich beide." Tatsächlich ist das Ganze, nach den Worten des Autors, eine Fiktion, in die viel Wirkliches einfloss - Erlebtes, Erfahrenes, Gehörtes. Die einzelnen Geschichten, sagt Hofmann, seien "größtenteils authentisch, aber oft von anderswo nach Hof verlagert".

Wie schon erwähnt, hat sich der jetzt 70-Jährige, der aus einer alten Hofer Familie stammt, aber in Münster geboren wurde, für Literatur bereits als Kind interessiert. Seine Doktorarbeit schrieb er über Shakespeare-Übersetzungen. Studiert hat er Anglistik, Geschichte und Politik in Berlin, Lawrence/USA und Tübingen. Als Lektor an einem College in Wales - und nicht etwa im heimischen Hof - entdeckte er 1970 Jean Paul, den er seither über alles schätzt. Nach Tübingen zurückgekehrt, wurde er an der dortigen Uni Planungsassistent für ein 50-Millionen-Mark-Gebäude und dann, weil er technisch sehr interessiert und befähigt war, Leiter der Medienabteilung, die er rasch zur größten in Baden-Württemberg ausbaute.

Als seine "schönste und wichtigste Zeit" nennt er seinen Beitrag zur Weiterbildung arbeitsloser Lehrerinnen und Lehrer: In jeweils halbjährigen Kursen schulte er insgesamt 160 junge Leute zu Journalisten und Medienpraktikern um und gab ihnen so neue Hoffnung. Die Studenten dankten ihm mit einem "Oscar für die beste Nachwuchsförderung". Das Filmpreis-Imitat macht durchaus Sinn, denn Hofmann ist auch Autor von zahlreichen Drehbüchern und Videofilmen unter anderem für die Weiterbildung von Fachärzten. Im Ruhestand leitet er das Steinbeis-Transferzentrum für multimediale Kommunikation, das Unternehmen mit Filmen über technische Vorgänge beliefert.

Aber zurück zum Buch "Hängepartien". Zu den Themen, die darin behandelt werden, zählen auch "Heimat" und "Arbeitswelt"; Letztere lernte Hofmann als Schüler kennen, denn seine Ferien musste er stets in der elterlichen Hausschuhfabrik in Hof-Moschendorf verbringen. Insgesamt aber, sagt er, sei seine Jugend glücklich gewesen: "Wir haben in den Tag hineingelebt." So werden denn auch im Buch keine persönlichen Probleme gewälzt. Eine zentrale Rolle spielen neben dem Schulalltag und dem Familienleben die ersten Liebesabenteuer.

Auf dem Buchumschlag ist eine Stellung aus einem Schach-Endspiel abgebildet. Sie nimmt Bezug auf die Kalte-Kriegs-Situation: Je nachdem, wer am Zug ist, wird es einen Sieger geben oder ein Patt. Der Titel "Hängepartien" ist ebenfalls vom Schach übernommen: Gemeint sind abgebrochene Partien, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden sollen. Eine Fortsetzung des Buches werde es allerdings nicht geben, versichert Hofmann, der nach wie vor enge Beziehungen zu Hof unterhält; hier leben ein älterer Bruder und seine Schwester, die er liebevoll "meine kleine Betriebsnudel" nennt. Beide besucht der Tübinger regelmäßig, nicht zuletzt dann, wenn ihn die Hofer Filmtage locken.

Derzeit trägt er eine neue Buchidee mit sich herum. Erzählen will er von DDR-Bürgern, die durch unterirdische Tunnel in den Westen flüchteten. Informationen darüber erhielt er von einer Frau, die wegen Fluchthilfe im berüchtigten Zuchthaus Bautzen saß.

Die Geschichten sind größtenteils authentisch, aber oft von anderswo nach Hof verlagert.

Dr. Norbert Hofmann über sein Buch


Lesung in Hof