Kulmbach - Lesefutter und Ohrenschmaus treten miteinander in Kontakt, wenn sich ein Autor mit Talent zum Rezitator eigene Arbeiten auf der Zunge zergehen lässt. Nur selten allerdings geraten jene zwei Genüsse zusätzlich mit konkreten Gaumenfreuden in Berührung: Dann - wie am vergangenen Mittwoch in Kulmbach - vollendet sich der Kreis zur kulinarischen Total-Erquickung.

In der Dr.-Stammberger-Halle richtet Axel Hacke Tafelfreuden virtueller, weil literarischer, aber nicht ganz fiktiver Art an. Was der Autor, berühmt unter anderem als Kolumnist des SZ-Magazins, in eigener Sache zusammenkocht, ist nicht erfunden, sondern gefunden - aufgeklaubt von internationalen Speisekarten aus aller Herren Ländern. Reisende teilten ihm widersinnige bis hirnverbrannte Entdeckungen in Spanien, Frankreich oder Irland mit. Dort verlassen sich Restaurantbetreiber bei der deutschen Bezeichnung ihrer Gerichte gern auf Übersetzungsprogramme des Computers und des Internets. Deren halsbrecherischen Fehlleistungen verdankt sich auch der Titel des Programms, der zugleich jener der jüngsten Veröffentlichung aus Axel Hackes Satire-Werkstatt ist: "Oberst Huhn bittet zu Tisch."

Wie ein linguistischer Pathologe erläutert der Autor die Gründe für die meuchelmörderischen Titulaturen der Speisen. Noch intensiver aber regen sie die Fantasie des Lesers oder Hörers an, wenn der sich um Ursachenforschung nicht schert. Dann darf sich sein geschmackliches Vorstellungsvermögen an "Drahthuhn" (statt Truthahn) und "gefühlten Paprikaschotten" laben, an "Wurm-Brustkorb", "gefaultem Webmaster" oder "Sockel der Sünder". Vom Lesesessel aus plaudert Hacke über derlei Wunderspezialitäten so freimütig und geschliffen wie er schreibt: Druckreif spricht er, kurzweilig pointiert, mit dem gestenreichen Sarkasmus eines Kabarettisten und steckt so - als Entertainer intelligenter als der Durchschnitt - das Gros der Comedians in die Tasche.

Dabei will es schon was heißen, wenn ein Texttüftler wie er das Deutsch auf ausländischen Speisekarten "viel schöner findet als das, was ich spreche": weil nämlich die Sprache, "befreit von Sinn und Struktur, erst ganz zu sich selber findet". Erfreulich hilfsbereit steht ihr dabei das Elektronengehirn zur Seite; denn die Maschine entscheidet sich, übersetzend, in Zweifelsfällen stets für die "deutscheste" Option: für "Ausfugmasse" statt für Püree und bei Spaghetti alla carbonara für "Isolationsschlauch nach Köhlerart".

Neben dem jüngsten Elaborat hat Hacke sein "Gesamtwerk" mitgebracht: also auch "Das Beste aus meinem Leben" und aus seinem "Liebesleben", auch die Trilogie um den "Weißen Neger Wumbaba". Von Verhängnissen in der Familie und am Passbildautomaten, von Missverständnissen beim Mitsingen beliebter Songs berichtet er darin aufs Erbaulichste. Lakonisch und mit leis spürbarer Freude an der eigenen rhetorischen Souveränität, als szenisch gestaltender Rezitator zelebriert er Zusammenstöße des Skifahrers mit hartem Eis und solche der "Liebe und ihres Antagonisten, des Alltags". In entlarvenden Eheszenen macht er jedem Hörer, der's nicht viel anders kennt, Mut für weitere Versuche der Partnerschaftsbewältigung.

Aber sogar jetzt bleiben essbare Substanzen nicht ganz aus: "Das Ver-Hören nimmt kein Ende", wenn etwa aus einem Erzbischof der "Erdbeerschorsch" wird oder aus der Csárdásfürstin ein "Scharlachwürstchen" - Kalauer aus einer von kannibalischem Wahnsinn kaum unterscheidbaren Wirklichkeit. Als der Autor irgendwo in München auf die Werbetafel eines Lokals stieß, das sich mit "frischem Hackefleisch" empfahl, ging er zügig und verstohlen weiter.

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Von Sinn und Struktur befreit, findet die Sprache erst ganz zu sich.

Axel Hacke


Auf 25 Jahre

... seines Bestehens blickt der Kulmbacher Literaturverein heuer zurück - ein schöner Grund für ihn, zur Feier des Jubiläums einen so populären Autor wie Axel Hacke zu sich zu bitten. 280 Zuhörer folgten der Einladung ebenfalls und quittierten die lockeren Plaudereien und Lesungen des Kolumnisten mit viel Gelächter und Applaus. Bei der Begrüßung würdigte Bürgermeister Frank Wilzok die Arbeit des Vereins als prägendes Moment im Kulturleben der Stadt und überreichte der Vorsitzenden Karin Minet und ihrer Stellvertreterin Andrea Senf neben geistigen Getränken unter anderem große Badetücher - damit sich die Damen bei der schweißtreibenden Organisationsarbeit die Stirn trocknen können.