Im Jahr 1955 errang Rot-Weiß Essen, der Klub von Helmut Rahn, dem Doppel-Torschützen im WM-Endspiel des Jahres zuvor, den Titel des deutschen Fußballmeisters. Sechs Jahre später stieg die Mannschaft aus der damaligen obersten Spielklasse ab, 2010 trat sie in der fünftklassigen Oberliga an, derzeit belegt sie einen Mittelplatz in der Regionalliga West. Der Verein, dessen Fall an den des FC Bayern Hof erinnert - beide Teams trafen einst in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga aufeinander -, gehöre zu jener Sorte von Fußballklubs, die man romantisch als "beautiful loser" (schöne Verlierer) beschreiben könne, meint Christoph Biermann, Mitglied der Chefredaktion des Magazins "11 Freunde", in seinem neuen, bereits achten Buch zum Thema Fußball. Es trägt den Titel "Wenn wir vom Fußball träumen" (Kiepenheuer & Witsch, 255 Seiten, 18,99 Euro) und handelt von einer "Heimreise": Der in Krefeld geborene, jetzt in Berlin lebende Autor sprach im Ruhrgebiet mit Spielern, Trainern und Fans, aber auch mit Lokalpolitikern, Schriftstellern und Sozialwissenschaftlern. Nun schreibt er über "Mario Götze und das Drama des modernen Fußballs", über "Das letzte Bier mit Norbert Nigbur" (Untertitel: "Entfremdung für immer"), über den Strukturwandel auf dem Rasen und über das, was seit jeher die "universelle Kraft" des Spiels ausmacht. Weil Fußball ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse geworden sei, müsse man, um ihn wirklich zu verstehen, sein soziales, politisches und wirtschaftliches Umfeld anschauen, betont Biermann. "Wir können", sagt er, "die Welt im Fußball wiederfinden." Ein schönes Beispiel brachte er von einem Besuch in Nordkorea mit nach Hause. Einheimische Journalisten hatten dort von ihm wissen wollen, wie man es in Deutschland denn organisiere, dass Menschen im Stadion singen und Fahnen schwenken. Gar nicht, antwortete der Autor, die Anteilnahme komme von Herzen. Die Gastgeber, in deren Staat es nicht vorgesehen ist, Fan zu sein - außer vom geliebten Führer Kim Jong-il -, staunten darüber sehr.