Schwarzenbach am Wald/Naila - Schreiben ist vielen ein geliebtes Hobby. Da gibt es Schubladenlyriker, andere notieren ihre Lebensgeschichte für Kinder und Enkel. Aber Schreiben will gelernt sein. Es braucht Training im Erspüren dessen, was man ausdrücken will. Denn der schönste Reim ist leere Hülle, beinhaltet er nicht ein kleines Stück Seele.

Dass man gar nicht früh genug anfangen kann, weiß auch Monika Meyer aus Schwarzenbach am Wald. Literatur spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle. Lesen und Schreiben gehören zu ihren täglichen Gewohnheiten. Mit 15 Jahren hat sie erstmals selbst Poesie zu Papier gebracht - wie es viele Jugendliche tun, denen das Herz von Liebe und Leid überläuft. "Mein erstes Gedicht mit dem Titel ,Das Kreuz im Wald' kann ich heute noch auswendig", sagt sie - und schon fließen ihr die Worte über die Lippen. Jetzt ist Meyer 63 Jahre alt und geht nach einer Rücken-Operation am Stock. "Ich bin dem Rollstuhl knapp entgangen", sagt sie, wischt die Gedanken an Krankheit und Hilflosigkeit aber gleich mit einer Handbewegung fort. Das Schreiben gibt ihr Kraft und Energie. Die reicht für sie und für andere.

Die Wirtschaftsjournalistin aus Rheinland-Pfalz, die seit 30 Jahren im Frankenwald lebt, erweiterte ihre Kenntnisse im Rahmen eines Literatur-Fernstudiums. Seit sechs Jahren widmet sie sich dem Schreiben von Gedichten und Kurzgeschichten. Nachlesen kann man ihre Texte in zahlreichen Anthologien. Sie hat Sachbücher und Gedichtbände herausgebracht und auch zwei Biografien inhaftierter Frauen verfasst: "Ich bin unschuldig. Zweifellos verurteilt? Der Fall Olivia Hartung" und "Das Leben der Sandra Braun".

Seit einigen Jahren hat es sich Monika Meyer zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche zur Literatur und zum Schreiben hinzuführen und sie auf diesem Weg zu stärken. Seit zwei Jahren gibt sie an der Realschule sowie an der Mittelschule in Naila einen Wahlfach-Kurs Literatur. Rund 20 Schüler der Klassen sechs bis neun treffen sich dazu jede Woche an einem Nachmittag. In den Jahren zuvor hatte der Hofer Autor Thanos Kießling diese Aufgabe inne. Er hat den Boden bereitet.

"Der Einstieg in das Schulprojekt folgte auf mein Engagement in der Mehrgenerationen-Projektschmiede Naila", erinnert sich Meyer. 2012 hatte das Seniorenbüro der Diakonie Martinsberg unter dem Motto "Miteinander füreinander, gemeinsam statt einsam, Jung und Alt zusammen" eine Schreibwerkstatt gegründet. Mitgemacht haben neben Senioren auch Nailaer Realschüler und Gymnasiasten. Herausgekommen ist ein 53 Seiten dickes Buch mit selbst geschriebenen Texten, die Einblick geben in das innere und äußere Leben der so unterschiedlichen Autoren. "Ich und Du", so der Titel, ist im Zwiebelzwerg-Verlag erschienen.

Monika Meyer will ihren Schülern Grundlagen der Literatur vermitteln: Welche Formen und Reimarten gibt es? Was macht einen Text zur Literatur? Wie fasse ich Gedanken, Gefühle, Beobachtungen in eigene Worte? Welche Form eignet sich? Die jungen Autoren sollen aber auch lernen, sich in Lesungen zu präsentieren und ihr Publikum zu fesseln. Zwei Mal im Jahr üben sie den großen Auftritt in der Stadtbibliothek Naila.

Vor Kurzem war es wieder so weit: 20 Jungen und Mädchen von acht bis 16 Jahren stellten ihre Texte vor. Rund 50 Gäste hörten aufmerksam zu. Die Gedichte drehen sich vorwiegend um Liebe und Reisen. Während die achtjährige Sophia Herrmann ihr gemütliches Zuhause und die geliebte Katze in den Mittelpunkt stellt, blickt der zwölfjährige Justin Ströhla hinter die Kulissen seiner Stadt und fragt nach den Armen und Kranken.

"Liebe ist ein heller Stern, ein warmes Haus, Zusammensein", bringt Laura Hannweber ihre Gedanken zum Ausdruck, während Tatjana Wachter den Kampf mit der Angst schildert. Mit unterschiedlichen Gefühlen und Eindrücken setzen sich die jungen Leute auseinander und präsentieren ohne Scheu in wohlgesetzten Worten ihre Lyrik. "Mir kommt es darauf an, dass die Texte authentisch bleiben", sagt Meyer. "Auch wenn es Überwindung kostet, die Seele baumeln zu lassen."

"Man staunt, wie weit die Kinder sind", meint Marlies Osenberg vom Seniorenbüro der Diakonie. Gerd Riedel, Konrektor der Realschule Naila, findet es gut, dass sich die Schüler - neben dem Hauptfach Deutsch - auch literarisch mit sich und ihrer Umwelt auseinandersetzen. Dass sie dabei noch literaturgeschichtliche Hintergründe lernen, begrüßt auch Deutschlehrerin Kathrin Reuter. Die Eltern sind natürlich stolz: "Gut, dass es in der Schule solche Kurse gibt."

Routiniert packt der 16-jährige Andreas Einsiedel Gefühle wie Sehnsucht und Eifersucht in Verse. An Selbstbewusstsein fehlt es ihm nicht: Er macht die Zuhörer auf den Gedichtband aufmerksam, den er vor zwei Jahren veröffentlicht hat. Auch die anderen Autoren brauchen sich nicht zu verstecken: Beeindruckend ist die Zahl der Anthologien, in denen ihre Gedichte zu finden sind.

Nicht fürs Nachtkästchen schreiben die Jugendlichen. Ihre Texte sollen hinaus in die Welt - Leser erfreuen und anregen. Gedichte und Kurzgeschichten für zwei Bücher sind bereits vorhanden. Deshalb sucht Meyer unermüdlich nach Möglichkeiten der Veröffentlichung und nach Wettbewerben. Sie hält Kontakt zu Verlagen, Schriftsteller- und Journalistenverbänden. "Wir haben zwar noch keinen Preis gewonnen, aber das wird noch kommen", ist sie überzeugt. Sie rechnet sich für ihre Schüler Chancen aus auf einen der mit insgesamt 10 000 Euro datierten MDR-Literaturpreise, über die im Mai entschieden wird.

Die Literatin setzt auf das Potenzial ihrer Schüler: "Da kristallisiert sich nach und nach so manche Begabung heraus." Denn: Wen das Schreibfieber erst einmal gepackt hat, den lässt es nicht mehr los. Der arbeitet auch daran. Zwischen ihr und den Schülern ist Vertrauen gewachsen. Meyer ist sich ihrer Verantwortung bewusst und will ihnen Werte vermitteln, will ihnen zeigen, dass es befriedigender ist, ein Gedicht zu schreiben als ein Computerspiel nach dem anderen zu checken.

Auch zu Hause in Schwarzenbach unterhält Monika Meyer eine Schreibwerkstatt. Zu den Teilnehmern zählen Lena Zischka aus Rehau und Hanna Piruzram aus Naila, die sich erst kürzlich über die Mitteilung der Brentano-Gesellschaft Frankfurt freuen durften, dass sie mit ihren Texten im Jahrbuch der Frankfurter Bibliothek vertreten sein werden. Die Frauen bewundern ihre Mentorin ob ihrer Energie und Ausdauer.

Sie ziehe Kraft auch aus der Meditation und dem Streben nach Glück und innerer Zufriedenheit, sagt Meyer. Sie beschäftigt sich mit Psychologie und Philosophie. "Das Leben Jesu" von Ernest Renan, aber auch Jules Vernes "In 80 Tagen um die Erde" und die Märchen der Brüder Grimm zählt sie zu ihren Lieblingsbüchern. "Derzeit schreibe ich Märchen über Elfen", verrät sie. Vom Schreiben allein könne sie nicht leben, doch mit Lesungen und Literaturkursen komme sie über die Runden. "Ich brauche keinen Luxus. In meinem Leben habe ich schon viel gesehen. Ich bin zufrieden, wenn ich laufen und meine Arbeit tun kann."

Mir kommt es darauf an, dass die Texte authentisch sind.

Monika Meyer über die

Gedichte ihrer Schüler


Liebe ist ein heller Stern, ein warmes Haus, Zusammensein.

Zeile aus einem Gedicht von

Laura Hannweber