Plauen - Es gibt derzeit wohl niemanden, der über Erich Ohser mehr weiß als die Berliner Kunsthistorikerin Dr. Elke Schulze. Denn seit dem Frühjahr 2010 betreut sie den Nachlass des Künstlers und stellt im Plauener Erich-Ohser-Haus zwei Mal im Jahr Ausstellungen über sein Leben und Werk zusammen. Schon am Beginn ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Erich-Ohser-e.o.plauen-Stiftung sagte sie, die Erarbeitung einer handlichen Biografie sei ihr "Lieblingsziel". Nun liegt das Buch vor, leicht lesbar und reich illustriert. In Abstimmung mit dem Verlag, der auch die "Vater und Sohn"-Bildgeschichten herausgibt, leistete die Autorin keinen Beitrag zur Forschungsdiskussion, auch auf Fußnoten und einen wissenschaftlichen Apparat wird verzichtet.

"Erich Ohser alias e.o.plauen" ist ein Buch für Leute, die wissen wollen, wie der Künstler gelebt und gearbeitet hat und wie es kam, dass er unter tragischen Umständen früh, mit nur 41 Jahren, gestorben ist. Elke Schulze erzählt es.

Ohsers Lebensgeschichte, fasst sie am Ende zusammen, sei keine Heldengeschichte, sie sei aber auch keine Geschichte von Verrat und Scheitern. Man dürfe die Brüche dieses Lebens zu keiner falschen Einheitlichkeit kitten, sonst würde "das Widerständige jener Lebenswirklichkeit" entschärft.

Das Problem mit Erich Ohser ist, dass er bis 1933 für das SPD-Blatt Vorwärts gearbeitet hat - unter anderem erschienen "unerhörte Zeichnungen" gegen die nationalsozialistische Bewegung -, sich 1940 aber bereit erklärte, seine Kunst für die Zeitschrift Das Reich zur Verfügung zu stellen, mit der das Regime den Eindruck einer gewissen Liberalität zu erwecken versuchte. Ohser beziehungsweise e.o.plauen, denn dieses Pseudonym hatte er 1934 angenommen, ging Kompromisse mit den verhassten Machthabern ein, weil er erstens Geld verdienen und zweitens nicht als Soldat an der Front enden wollte. Dabei hielt er sich zugute, nur gegen die Alliierten als Feinde Deutschlands, nicht aber für die Nazis zu zeichnen.

Geboren wurde er 1903 im oberen Vogtland als zweiter von drei Söhnen eines Steueraufsehers, der bis 1900 den Namen Ochse trug und dann die Erlaubnis erhielt, sich Ohser zu nennen. 1909 zog die Familie nach Plauen um, wo Sohn Erich mit 14 Jahren eine Schlosserlehre begann und die städtische Gewerbeschule besuchte. Dort wurde man auf sein Zeichentalent aufmerksam, und als er 17 war, beschloss er, an der Leipziger Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe zu studieren.

Wichtige Impulse fürs weitere Leben gaben die Freundschaften mit dem später berühmten Schriftsteller Erich Kästner und dem Redakteur Erich Knauf. Als "die drei Erichs" machten sie erst in Leipzig, dann in Berlin von sich reden. "Alle drei", weiß Schulze, "haben denselben spöttisch sezierenden Blick, das Zeichnen, Schreiben und Dichten geschieht in rebellischer Munterkeit". Ohser illustriert unter anderem Kästners Gedichtbände, die 1933 auf den Scheiterhaufen der Nazis landen.

Das Buch belegt auch, dass der Plauener schon vor "Vater Sohn" ein anerkannter Pressezeichner und wohlhabender Künstler war. Seit 1930 war er verheiratet mit der Grafikerin Marigard Bantzer. In einer wechselvollen Beziehung standen beide, zärtliche Nähe wechselte mit harschen Zerwürfnissen ab, Ohser, heißt es in der Biografie, "flüchtet sich in Affären, Marigard sucht ihrerseits anderswo Trost". Aber sie bleiben zusammen, bis zuletzt. 1931 kommt Sohn Christian zur Welt, Ohser sagt später, die "Vater und Sohn"-Geschichten seien Erinnerungen an seine Kindheit, ausgelöst durch die Freude am eigenen Sohn.

Die Geschichten entstehen für die Berliner Illustrirte Zeitung, deren Redaktion zuvor beim NS-Propagandaministerium durchsetzen muss, dass Ohser überhaupt noch zeichnen darf. Er darf es künftig nur noch unpolitisch und unter Pseudonym, und dafür wählt er den Namen seiner Heimatstadt Plauen. Drei Jahre lang, von Ende 1934 bis Ende 1937, erscheinen die Geschichten, mit denen der Künstler laut Schulze auf humorvolle Weise eine humane, im Alltag wurzelnde Utopie formuliert. Nach und nach werden die Figuren aber so breit vermarktet, dass sich Ohser schließlich erdrückt fühlt und die Serie beendet.

Aber er zeichnet weiter und stellt auch aus. Eine Schau im Berliner Kunstdienst 1942 findet ein deutschlandweites Echo, man staunt über seinen zeichnerischen Reichtum. Dann kommt der Krieg nach Berlin, die drei Erichs werden ausgebombt, Marigard flüchtet mit dem Sohn nach Württemberg, während Ohser meint, der Arbeit wegen bleiben zu müssen. In dem Haus, wo er und Knauf nun Unterschlupf finden, wohnt ein Künstlerkollege namens Bruno Schulz, der auch SS-Mitglied ist. Im Glauben an vertrauensvolle Nachbarschaft äußert sich Ohser kritisch übers Regime, erzählt lautstark Witze, die er zum Teil selbst erfindet. Im Februar werden die beiden Erichs von Schulz denunziert, im März verhaftet und angeklagt, und schon vor dem Prozess unter Vorsitz des gefürchteten Richters Freisler stehen die Todesurteile fest. In der Nacht vor der Verhandlung am 6. April 1944 erhängt sich Ohser, Knauf wird verurteilt und hingerichtet.

Aber "Vater und Sohn" leben weiter. Sie sind, schreibt Elke Schulze angesichts ihrer internationalen Popularität, "regelrecht zu Weltbürgern geworden".

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Elke Schulze: Erich Ohser alias

e.o.plauen. Südverlag, 144 Seiten,

gebunden, 24 Euro.

Aus der Werkstatt

Das Zeichnen, Schreiben und Dichten geschieht in rebellischer Munterkeit.

Dr. Elke Schulze über die Arbeitsweise

Erich Ohsers und seiner Freunde

Es ist keine Heldengeschichte, aber auch keine von Verrat und Scheitern.

Autorin Dr. Elke Schulze