Hof Zucker und Pfeffer

Anarchisch, witzig und frech“: Regisseur Tobias Materna thront auf einem Sowjetstern – in Gold. Einen Blick hinter die Kulissen des Theaters Hof am Beispiel von „Viktoria und ihr Husar“. Foto: Harald Werder

Tobias Materna inszeniert "Viktoria und ihr Husar" am Theater Hof. Er setzt auf Unterhaltung, und die darf auch schon mal knallhart sein.

 
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Hof - Klischees sind Monster. Zerstörerisch und plattwalzend. Tobias Materna inszeniert am Hofer Theater eine Operette und entschärft Klischees durch Ignoranz und Pragmatismus. Das böse K-Wort (Kitsch) zuckt er mit der Schulter weg. "Ich habe kein Problem mit Kitsch." Pause. "Wenn man die Figuren ernst nimmt." "Viktoria und ihr Husar" bringt er auf die Bühne. Ein schweres Stück Operette, opulent, süßlich, komisch, gallbitter und verträumt.

Matinée & Premiere

Eine Matinée, zwei Stücke: Am Sonntag um 11 Uhr stellt das Theater Hof die Operette "Viktoria und ihr Husar" und das komische Schauspiel "Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)" vor. Ort: Kulturkantine des Theaters. Der Eintritt ist frei. Premiere feiert "Viktoria und ihr Husar" am Samstag, 15. Dezember, um 19.30 Uhr im Großen Haus.

Die Operette von Paul Abraham spielt 1918 und wurde 1930 uraufgeführt. Spielt im Jahr des endenden Ersten Weltkriegs, des revolutionären Russlands. Aufgeführt wenige Jahre nach Remarques "Im Westen nichts Neues". "Die Figuren sind traumatisiert. Koltay, der Husar, sagt ,Ich komme aus der Hölle‘ ", erklärt der Regisseur. Eben der Todesstrafe in einem Gefangenenlager in Sibirien entkommen, rauscht der Husar in eine verzwickte, dramatische Liebesgeschichte.

Und dann geht’s los: "Meine Mama war aus Yokohama." "Du warst der Stern meiner Nacht." "Mausi, süß warst du heute Nacht." Materna mag die Musik, die Lieder, Swing und Jazz. Samt und sonders Ohrwürmer, die man nach dem Theater beim Zähneputzen noch vor sich hersummt. Dann: Eine Kirschblüte - mit Showtreppe - funkelt silbern, dann regenbogenbunt auf der Bühne. Ein golden strahlender Sowjetstern, eine enorme blutrote Paprikaschote, die entfernt an die Rollings-Stones-Zunge erinnert. Fesche Paare schauen sich in die Augen. Lichtwechsel. Seufz. Materna mag das. Gefühle mit Wucht und rosa Anstrich. Es darf stark werden, die Figuren dürfen überzeichnet sein. Nur eines darf in der Inszenierung nicht geschehen: "Ich darf die Figuren nicht denunzieren. Sie haben Tiefe." Dass das dann auch mal kitschig rüberkommt, sei kein dramatischer Betriebsunfall. Materna: "Wir lachen, wenn einer auf der Bananenschale ausrutscht, weil dann unsere Normalität verrutscht." So sei das mit dem guten Kitsch - er verschiebe die Realität des Ausdrucks wegen.

Materna, zum ersten Mal in Hof, liebt Operetten, "Die Csárdásfürstin" und "Im weißen Rößl" hat er auch gemacht. "Im Original sind die anarchisch, witzig und frech", schwärmt der 47-jährige Münchner. Dafür, dass dann in Verfilmungen mit Peter Alexander und Co. im "Weißen Rössl" alles glattgebügelt wurde, das werde dem Genre alles andere als gerecht.

Der Regisseur nimmt die Operette ernst, aber nur als das, was sie ist: Unterhaltung. "Klar, manchmal ist an der Handlung etwas hanebüchen. Aber Wirkung kommt vor Logik", sagt er. Herbeigezwungen sei manchmal ein Lied, aber egal: "Wenn man das dann hört - ohhh." Dass ein Handlungsstrang aus dem Nichts kam (und wieder verschwand), vergesse man schnell.

Doch Vorsicht: "Man unterschätze niemals das Operetten-Publikum!" Es wolle mit Glanz, Glitzer und Sentimentalität geküsst werden. Aber es verträgt auch Härten, Krieg und Trauer. ",Viktoria’ ist sehr intelligent gestrickt. Es ist wellenhaft aufgebaut. Wenn es mal runtergeht, dann kommt plötzlich eine super Nummer mit Schwung", sagt der Regisseur. Die Operette dürfe sich vieles erlauben, nur einen gänzlich runterziehen, das gehe nicht. Operette eben. "Der alte Streit zwischen U und E", sagt Tobias Materna und pfeift drauf. Operette sei nunmal U, also unterhaltsam, nicht ernst. So what?

Und wieder geht Maternas Zeigefinger hoch. "Aber Einheitssoße - nein!" Himmlische Operetten-Seligkeit ohne Widerstreit der Gefühle kann er nicht ab. Dafür sei Theater nicht da. Gezuckert darf es sein, optisch opulent und rummelhaft. Aber vorher, da lässt Tobias Materna den Vorhang des Hofer Theaters hochgehen - und das Publikum sieht ins - blanke Nichts.

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