Bayreuth "Alkohol als Statussymbol"

Deutschland ist kein einig Volk der Raucher und Trinker. Die Süchte sind nach Einkommen verteilt. Dies zeigt eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Bayreuth.

 
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Arm raucht, Reich trinkt - ist dies, kurzgefasst, das Ergebnis Ihrer Studie?

Brit Schneider: Ganz so knapp kann man das nicht formulieren. Mit dem Rauchen haben Sie allerdings nicht unrecht. Es ist eindeutig festzustellen, dass Menschen mit geringem Bildungsstand und geringem Einkommen mit höherer Wahrscheinlichkeit Raucher sind. Auf der anderen Seite sagt die Auswertung unserer Daten, dass ein höheres Einkommen und ein höherer Bildungsstand mit einem ansteigenden Alkoholkonsum verbunden sind. Man muss bei der Interpretation allerdings ein bisschen vorsichtig sein, da die Daten auf der Eigeneinschätzung des Verhaltens beruhen.

Udo Schneider: Raucher sind sich viel eher ihres Verhaltens bewusst als Menschen, die Alkohol trinken. Fragen Sie doch einmal zehn Menschen, die von der selben Party kommen, nach ihrem Alkoholverhalten. Sie werden höchstwahrscheinlich sehr abweichende Antworten bekommen. Die Frage, ob jemand Raucher ist, ist sehr viel einfacher zu beantworten.

Wenn man auf den Preis der täglichen Schachtel Zigaretten sieht, dann ist Rauchen nicht billiger als Trinken...

Udo Schneider: Sicherlich nicht. Aber man muss auch in Rechnung stellen, dass es sich dabei um eine Sucht mit einem hohen Potenzial handelt. Es gibt sicherlich viele Menschen, die davon loskommen wollen, es aber nicht schaffen. Deshalb beobachten wir ja auch eine ziemlich starre Nachfrage, die auch durch die regelmäßigen Erhöhungen der Tabaksteuer kaum beeinflusst wird.

Wie teuer müsste denn die Schachtel Zigaretten werden, um die Zahl der Raucher zu senken?

Udo Schneider: Wir sind ein bisschen vorsichtig mit solchen Schätzungen. Sicher haben kleine Preissteigerungen wenige Auswirkungen. Wenn die Schachtel Zigaretten plötzlich zehn Euro kosten würde, sähe dies sicherlich anders aus.

Brit Schneider: Die Frage ist nur, ob man dann nicht eine Flucht in eine andere Sucht bekäme. Gegen den Neueinstieg wäre dies sicherlich eine hohe Hürde. Bei denen, die schon in der Sucht gefangen sind, würde man in Bereiche kommen, die das Haushaltseinkommen antasten.

In volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise: Sollte man von Rauchern höhere Krankenversicherungsbeträge fordern?

Udo Schneider: Mit welcher Berechtigung? Es gibt keine gesicherten Zahlen, wonach Raucher die Versichertengemeinschaft belasten. Besonders aufwendig und teuer sind die Behandlungen am Ende des Lebens. Auch wenn es zynisch klingen mag: Statistisch gesehen nehmen Raucher medizinische Leistungen weniger in Anspruch, weil sie kürzer leben.

Dennoch regen Sie an, über eine stärkere Besteuerung von Tabakwaren die Zahl der starken Raucher zu senken. Den "reichen Trinkern" wollen Sie hingegen keine höheren Steuern zumuten. Ist das nicht sozial ungerecht?

Udo Schneider: Wo Alkohol zum gesellschaftlichen Statussymbol wird, verliert die Besteuerung jegliche Lenkungsfunktion. Ob eine Flasche Bordeaux-Wein oder Champagner ein paar Euro mehr oder weniger kostet, ist dann völlig egal. Allenfalls würden sich die Steuereinnahmen des Staates erhöhen.

Brit Schneider: Man würde wohl eher noch in die Situation geraten, dass Alkohol zum geschätzten Luxus- oder Statussymbol - also noch attraktiver - würde.

Bei Jugendlichen ist festzustellen, dass die Zahl der Raucher beständig sinkt. Ist das ein Erfolg der Aufklärungskampagnen?

Brit Schneider: Hier kommen wir in den Bereich der Spekulation. Wir nehmen aber an, dass es so ist. Außerdem scheinen die Rauchverbote die Attraktivität des Einstiegs zu senken.

Sie haben sich in Ihrer Studie das Gesundheitsverhalten von Männern und Frauen gesondert betrachtet. Gibt es hier noch Unterschiede?

Brit Schneider: Es gleicht sich an. Bei Frauen ist aber eindeutig feststellbar, dass gesundheitsschädliches Verhalten mit dem Ausmaß der Erwerbstätigkeit steigt. Frauen, die viel Stress haben, rauchen und trinken mehr. Einen großen Einfluss scheint hier das Gruppenverhalten am Arbeitsplatz zu haben. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit von Fettleibigkeit bei Frauen mit steigendem Einkommen geringer.

Sind sich Männer und Frauen der Gesundheitsgefahren ihres Verhaltens gleichermaßen bewusst?

Udo Schneider: Wir haben festgestellt, dass sich Alkohol trinkende Männer eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands attestieren, Frauen interessanterweise eine Verbesserung. Wir können uns das nur so erklären, dass Männer in der Regel viel größere Mengen von Alkohol konsumieren als Frauen. Während beim Rauchen und beim Übergewicht Männer und Frauen dicht beieinander liegen, gehen die Zahlen beim Alkohol auseinander. 15 Prozent der befragten Männer geben an, regelmäßig größere Mengen von Alkohol zu konsumieren, bei Frauen sind es hingegen nur sieben Prozent.

Brit Schneider: Vielleicht liegt das auch daran, dass viele Frauen halbtags arbeiten. Da fällt dann schon einmal das berühmte "Feierabendbier" weg.

Das Gespräch führte Joachim Dankbar

Bildung und Einkommen bestimmen die Gesundheit

Sind sich Menschen der gesundheitlichen Risiken ihres Verhaltens bewusst, können sie dieses Verhalten steuern und welchen Einfluss haben die Lebensverhältnisse auf Problembewusstsein und Verhalten? Dies waren die Fragen, denen Privatdozent Dr. Udo Schneider und Dr. Brit Schneider in einer Studie nachgingen. Das am Bayreuther Lehrstuhl für Finanzwissenschaft beschäftigte Forscher-Ehepaar wertete dazu die Daten von 8700 Menschen aus ganz Deutschland aus dem Jahr 2006 aus. Das Ergebnis: Das Gesundheitsverhalten der Menschen in Deutschland wird im Wesentlichen durch drei Faktoren beeinflusst: den Bildungsstand, die Erwerbstätigkeit und das Einkommen.


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