Nach Panama heißt das nächste Ziel im Januar 2015 Kolumbien. Von diesem Land haben Biczysko alle abgeraten. Viel zu gefährlich für eine allein reisende Frau: Diebstähle, Drogen, Überfälle passieren hier ständig. "Das hat mich dann gerade gereizt." Nach einem Abendessen in der Altstadt von Bogota macht sie sich allein auf den Heimweg durch menschenleere Straßen. Gedankenverloren läuft sie durch den strömenden Regen, durch die Dunkelheit. Auf einmal steht ein verwahrloster Typ neben ihr, der sich einen Eierkarton unter den linken Fuß klebt, der rechte steckt in einer Plastiktüte. Der Frau mit den langen blonden Haaren, die jeder sofort als Touristin erkennt, wird unheimlich zumute. Doch sie geht einfach weiter, aufrecht. Ihr Körper signalisiert: Ich bin kein Opfer. Es wird nicht die einzige gefährliche Situation auf Biczyskos Reise bleiben. "Seit Chap gestorben ist, habe ich keine Angst mehr. Nicht einmal vor dem Tod." Wenn es unterwegs brenzlig wurde, dachte sie an ihren verstorbenen Mann: ",Katze', muss das jetzt sein?", hätte er dann zu ihr gesagt.
Der Weg zurück ins Leben beginnt für Peggy Biczysko auf den Galapagos-Inseln. Mürrische Seelöwen begrüßen sie bei der Ankunft Anfang April 2015 bereits am Bootsanleger, beim Schnorcheln krault eine schwarze Meerechse an ihr vorbei. Unfassbar. So nah an Schildkröten, Robben, Blaufußtölpeln, Austernfischern, Klippen-Krabben - sie ist fasziniert. Durch die Tiere spürt Biczysko erstmals nach dem Schicksalsschlag wieder, wie sich Glück anfühlt. "Dort habe ich gedacht: Eigentlich ist das Leben doch schön." Die nächsten Schritte nach vorne macht sie auf den Cocos Keeling Islands im Indischen Ozean im Juni. Sie wird von den Insulanern freudig aufgenommen. Für sie beginnt die Journalistin wieder zu kochen - eines ihrer großen Hobbys, das seit dem Tod ihres Mannes ruhen musste.
Auf ihrer Tour lernt Peggy Biczysko Leute aus der ganzen Welt kennen, lernt andere Lebensmodelle schätzen: "Man muss nicht arbeiten, bis man tot umfällt." Sie erkennt, dass ein Leben als Weltreisender nicht unbedingt eine Frage des Geldes ist. "Man muss sich nur trauen", sagt sie. Mit Zuhause bleibt sie per Internet in Kontakt, außerdem schreibt sie ein Blog über ihre Gefühle, ihre Erlebnisse. "Ich musste mir das Ganze von der Seele schreiben." Diese Aufzeichnungen sind die Grundlage für ihr Buch "Mit Leo zwischen den Ozeanen", das gerade erschienen ist.
Tief hinab ins Tal der Tränen steigt Peggy Biczysko im ecuadorianischen Otavalo am 21. April 2015 noch mal - genau ein Jahr nach ihrer Hochzeit, genau ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes. Dieser Tag, es ist der Ostermontag 2014, läuft in ihr wie ein Film ab: Chap hat auf der Palliativstation im Marktredwitzer Krankenhaus ganz furchtbare Schmerzen. Die Ärzte erhöhen die Morphium-Dosis, einer rät ihr, den Standesbeamten schnell ans Bett zu holen. Eigentlich ist die Hochzeit für den 28. April geplant, so ist es in die Ringe graviert. In diesem Moment realisiert sie, dass es für Chap keine Hoffnung gibt. Er hat mutig gekämpft, aber der Krebs war stärker.
Sie rast vom Krankenhaus nach Hause, streift sich ihr Hochzeitskleid über. Der Standesbeamte nimmt trotz des Feiertags die Nottrauung vor. Chap strahlt, als er ihr den Ring an den Finger steckt. Mit lauwarmem Rotkäppchen-Sekt stößt sie mit Arzt und Schwestern an. "Es war ein Albtraum", sagt die 54-Jährige heute. Neun Stunden nach der Hochzeit stirbt er. Sie ist bei ihm, hält ihn fest.
In Otavalo, 10 000 Kilometer von Marktredwitz entfernt, holen diese Bilder sie wieder ein. Sie versucht, sich mit Alkohol zu betäuben. Möchte dem Schmerz entfliehen. Doch Peggy Biczysko kann ihrer eigenen Geschichte nicht davonlaufen.
Ein halbes Jahr ist sie jetzt wieder in Marktredwitz. Sie ist nicht gerne zurückgekommen. In ihrer neuen, kleineren Wohnung erinnert vieles an ihren Mann: überall Bilder, ein Journalistenpreis an der Wand. An den Erinnerungen hält sie sich fest. "Ohne Chap ist hier alles nichts mehr wert. Ich fühle mich hier nicht mehr daheim", sagt Peggy Biczysko. Ihren Ehering trägt sie am rechten Ringfinger, den ihres Mannes mit einem Lederband um den Hals. Sie meidet die Orte, an denen sie miteinander glücklich waren. "Da kann ich noch nicht hin." Vom Küchenfenster aus sieht sie auf den Friedhof, dorthin, wo ihr Mann begraben ist. Sechs Tage hat sie gebraucht, bis sie es nach ihrer Rückkehr schafft, zum Grab zu gehen.
Auf die Cocos Keeling Islands reist sie Mitte Juni wieder. Sie macht jetzt, was ihr gefällt. Ohne Kompromisse. Vielleicht ist sie demnächst ganz weg: "Mein Zuhause ist die Welt."
Seit Chap gestorben ist, habe ich keine Angst mehr. Nicht einmal vor dem Tod. Peggy Biczysko, Reisebuch-Autorin
Die Reise zum Nachlesen
Im Buch "Mit Leo zwischen den Ozeanen" schildert Peggy Biczysko die vielen Erlebnisse auf ihrer elfmonatigen Reise um die Welt. Stationen waren Panama, Kolumbien, Peru, Ecuador mit den Galapagos-Inseln, Australien mit den Weihnachts- und Kokos-Inseln, Indonesien, Südafrika, Ruanda, Uganda, Italien und Schottland. Ihr Buch ist bei Books on Demand erschienen. Es hat 396 Seiten und kostet 15,99 Euro (ISBN-13: 978-3844806700). In der Region gibt es das Buch in den Geschäftsstellen unserer Zeitung sowie im Buchhandel und unter www.lesershop-online.de.
Unter www.peggyundleo.de ist die Webseite der Autorin zu finden.