Fichtelgebirge Schwitzen und viel "Geschmarr"

Sauna-Gänger schwören auf den gesundheitsfördernden Effekt der Hitze. In Wunsiedel ist das Erlebnis zudem ein gesellschaftliches Ereignis.

 
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Wunsiedel - Es ist eine schmale Holztür, hinter der sich eine der bedeutendsten Kultstätten des Fichtelgebirges verbirgt. Wer sie öffnet, der tritt in eine Welt, die eine Mischung aus Ruhrpott-Camping, niederbayerischem Biergarten und Schwitzhütte im hintersten Finnland zu sein scheint. Doch wer jemals hier war, wird immer wieder kommen. Immerhin befindet sich der Besucher in der Natursauna im Wunsiedler Freibad. Natur ist hier nicht nur ein Begriff, mit dem sich gut werben lässt. Natur ist hier Programm.

Allein der Anblick des Konglomerats aus dunklen Holzhütten würde jedem modernen Wellness-Jünger erst einmal einen gehörigen Schrecken einjagen. Schick, cool und steril ist in der Natursauna nichts. Stattdessen sitzen die Gäste vor oder nach den Schwitzgängen auf Bierbänken an einem derben Holztisch. Gleich daneben befindet sich ein Verschlag mit einem guten Ster Holzscheite - natürlich nicht ordentlich geschlichtet. Doch was ist das Besondere an der mittlerweile 68 Jahre währenden Saunatradition in der Festspielstadt? "Wahrscheinlich liegt der Kult darin begründet, weil sie so anders ist als all die Saunen in den Hotels oder Thermen", sagt Saunapräsident Michael Menkhoff. Und da ist noch etwas, was es nur in Wunsiedel gibt: "Das Geschmarr", wie Menkhoff sagt.

Auf der Halbinsel am Flüsschen Röslau fallen nicht nur die Hüllen, sondern auch die gesellschaftlichen Schranken. Egal ob Kommunalpolitiker (von dieser Spezies sind immer am Freitagabend gleich mehrere anzutreffen), Fabrikant oder Arbeiter, hier darf, nein soll jeder mitdiskutieren. Politik, vorwiegend die kleine vor der Haustür, Sport, Frauen. In der Männerrunde am Freitagabend gibt es kaum ein Thema, das nicht von vorne nach hinten durchgenudelt wird und anschließend wieder andersrum. "Es kommt immer auf die Tagesform an. Manchmal ist es auch ziemlich still hier. Dann genießt jeder einfach den Augenblick und lässt die Seele baumeln", sagt Menkhoff.

Er ist seit 2007 begeisterter Saunist. "Damals hat mir meine Frau empfohlen, mal in die Sauna zu gehen. Ich hoffe, das hat sie nicht bereut." Denn Freitagabend gehört seither Papa nicht der Familie, sondern den Sauna-Kumpels. Und davon gibt es viele. Der Sauna-Verein selbst hat um die 100 Mitglieder. "Aber es gibt noch wesentlich mehr Gäste." Es sei ein wöchtentliches Ritual. Wenn er Freitagabend von der Arbeit nach Hause komme, halte er sich nicht auf, greife lediglich zur Saunatasche und gehe dann zum Schwitzen.

Heute sitzen vielleicht ein knappes Dutzend Männer verstreut auf dem Gelände. Während vier von ihnen mit einem Bier in der Hand oder auf dem Tisch unterm Vordach sitzen, entspannt ein weiterer auf einer Liege im Ruheraum, der den wohligen Jugendherbergs-Charme der 70er-Jahre versprüht. Zwei etwas ältere Semester haben sich in die Sauna zurückgezogen. Bei wie viel Grad genau sie schwitzen, wissen sie nicht. Es mögen um die 100 sein. So viel zeigt zumindest das runde Thermometer aus den frühen Tagen der Sauna an. Ob es die richtigen Grade anzeigt? Egal, so hundertprozentig will es hier eh niemand wissen.

Im Gegensatz zur Hitze eines Elektroofens ist die des Holzofens für den Körper wesentlich verträglicher. Dies sagt Professor Rainer Schöffel, und der muss es schließlich wissen. Auch er ist seit Jahren ein Saunist und mit den Eigenheiten der Wunsiedler Variante bestens vertraut. Wie seine Schwitzbrüder vertraut er auf die Spezialaufgüsse, die irgendwo gut versteckt auf dem Gelände lagern: Slibowitz, Apfel- oder Birnenbrand. Nein, betrunken werde davon niemand, sagt Schöffel. Nur manchmal sei es schon vorgekommen, dass offenbar jemand eine Flasche gefunden und den Inhalt vertilgt habe, bevor er seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt werden konnte. Aber auch dies nehmen die Saunisten mit einem gelassenen Lächeln zur Kenntnis. Irgendjemand schleppt immer eine hochprozentige Mischung für den Saunagang an.

Das Schwitzen bekommt den Männern - und natürlich den Frauen, die am Donnerstag an der Reihe sind - bestens. "Ich bin tatsächlich kaum noch krank, seit ich regelmäßig hier bin", sagt Menkhoff. Dies können Schöffel und Günter Stöhr, ebenfalls ein alter Sauna-Haudegen, nur bestätigen. Letztgenannter ist seit 45 Jahren aktiver Saunist. Der einstige Verwaltungsleiter der Luisenburg-Festspiele hat schon viele Intendanten, Schauspieler und Bürgermeister kommen und gehen sehen. "In der Sauna bin ich noch immer."

Nach dem Schwitzen gilt es, sich möglichst schockartig abzukühlen. Dies stärkt die Abwehrkräfte und hält auch den Geist frisch. Wer dazu nicht nur die Dusche nutzen will, der steigt in die Röslau. Naturtreppen führen in das Flüsschen, das Erfrischung verspricht. Nach 19.30 Uhr können die Saunisten im Adamskostüm auch in das dann geschlossene angrenzende Freibad springen. Wichtig ist den Männern und Frauen, dass es urig ist. Mehr braucht es nicht zum perfekten Saunaglück.

Außer vielleicht Debreziner-Würstchen oder die legendäre Tebartz-Platte. Dabei handelt es sich um Limburger-Käse, der, wie Professor Schöffel verrät, in Kreuzform aufliegt. Gut, das kann man finden, wie man will. Aber vielleicht würde der mit dieser Kreation gewürdigte Limburger Skandal-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sogar darüber lachen. Allzu ernst soll es in der Wunsiedler Natursauna-Welt nicht zugehen. Auch wenn Präsident Michael Menkhoff sein Amt durchaus mit der nötigen Leidenschaft betreibt. So organisiert er Arbeitseinsätze - zum Beispiel um einen Sichtschutz-Zaun zu bauen - oder das jährliche Saunafest. Wenn er seinen Blick so schweifen lässt, auf die rustikalen Bauten, das mit einfacher Dachpappe gedeckte Dach, den Holzverschlag, die Uralt-Waage à la 60er-Jahre und die Männer, die so cool auf den Stühlen oder der Bierbank sitzen wie einst John Wayne vor dem Duell im Saloon, dann fehlt nicht mehr viel zu der Erkenntnis, dass hinter einer unscheinbaren Holztür einer der schönsten Plätze des Fichtelgebirges liegt.

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