Wunsiedel Katharinenberg wird zur Filmkulisse

Michael Fuchs (Dritter von links) erklärte Dr. Joachim Zeune (Zweiter von rechts) die Funktionsweise der Blide. Foto: Schi

Ein Fernsehteam dreht auf dem Wunsiedler Hausberg. Es entstehen zwei Folgen der Doku Serie "Terra " für das ZDF und Arte.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wunsiedel - "Burgen - Bollwerke der Macht", so heißt der Arbeitstitel für eine zweiteilige "Terra X"- Dokumentation, die im April nächsten Jahres auf ZDF gezeigt werden soll. Ein sechsköpfiges Filmteam der Produktionsfirma Gruppe 5 aus Köln hat dafür auch den Katharinenberg besucht. Die Mittelaltergruppe "Hundlinge" stand mit ihren Katapulten dabei im Mittelpunkt des Interesses.

"Heute ist der letzte Drehtag. Und der ist ein absolutes Highlight", sagen Autor Martin Becker und der wissenschaftliche Berater des Filmteams, Dr. Joachim Zeune, unisono. Zeune ist ausgesprochener Experte in Sachen Burgen, Mittelalterarchäologe, Historiker und Burgenforscher. Neben der archäologischen Erforschung und Sanierung zahlreicher Burgruinen war das Büro für Burgenforschung Zeunes in Eisenberg-Zell auch maßgebend an der Konzeption einiger "Burgenkundlicher Lehrpfade" und der Ausarbeitung der Burgenregion Ostallgäu-Außerfern sowie der Burgenregion Allgäu beteiligt. Zeune hat über 400 Publikationen und Abhandlungen sowie zehn Bücher über Burgen geschrieben. Darunter auch "Burgen - Symbole der Macht", an dessen Titel auch die Terra X-Doku anlehnt. Wenn der Burgenforscher das Arsenal der Belagerungswaffen auf dem Wunsiedler Katharinenberg ansieht, gerät er ins Schwärmen. "Es ist toll, was hier entstanden ist", sagt Zeune und lobt vor allem die "beeindruckenden Zimmermannsfähigkeiten" von Oberhundling Michael Fuchs. Es sei eine große technische Herausforderung, ein derartiges Trebuchet zu bauen, erklärt Zeune. Zumal aus dem Mittelalter keine Baupläne überliefert sind, allenfalls Abbildungen in alten Büchern. Der Forscher lobt auch die Details, etwa die Steighilfen am Wurfarm. Diese gebe es in keiner der mittelalterlichen Darstellungen und würden auf dem Erfahrungsschatz der "Hundlinge" beruhen. Es sei aber durchaus denkbar, dass die Erbauer vor Hunderten von Jahren über ähnliches Techniken verfügten, sagt der Experte.

Katapult, Trebuchet, Tribock, es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für die mediävalen Fernwaffen, mit denen eine Festung gefahrlos aus der Distanz unter Beschuss genommen werden konnte. Und eben von der Durchschlagskraft wollen sich die Filmemacher auf dem Katharinenberg überzeugen. "Für den Film haben wir uns auf den Unterbegriff Blide für die Katapulte geeinigt", erklärt Autor und Producer Martin Becker. Die Dokumentation soll im Frühjahr an jeweils zwei Sonntagen zur besten Sendezeit von 19.30 bis 20.15 in der Reihe Terra X im ZDF ausgestrahlt werden. 90 Minuten Sendezeit, die aber einen enormen Aufwand voraussetzen. Die Projektentwicklung habe bereits vor zwei Jahren begonnen, erzählt der Filmemacher. Seit Mai ist das Team in ganz Europa an verschiedenen Drehorten unterwegs, um Burgen und deren Aufbau zu analysieren. Unter anderem war die Crew in England im Londoner Tower und im Schloss Windsor unterwegs, um Aufnahmen zu machen. Weitere Locations waren das Castel del Monte, ein Bauwerk aus der Zeit des Stauferkaisers Friedrich II. in Apulien im Südosten Italiens, die königliche Burg in Vincennes, in einem Stadtteil von Paris, sowie in einer der längsten Burgen in Burghausen und in der Burgenschaubaustelle Guédelon in Frankreich. Nach den Prinzipien der Experimentellen Archäologie werden bei diesem Rekonstruktionsprojekt nur Techniken aus dem 13. Jahrhundert angewandt, soweit dies die Sicherheitsbestimmungen zulassen, ergänzt der Experte Zeune. "Die Drehorte in Frankreich waren extrem wichtig, weil die Sendungen eine Co-Produktion der Fernsehsender ZDF und Arte sind", erklärt Becker. Auf Wunsiedel als Drehort sei das Team durch eine Empfehlung eines Professors gekommen. Über Videos im Internet, zum Teil über das Mittelalterfest "Collis Clamat", habe er sich über die Katapultschüsse auf dem Wunsiedler Katharinenberg informiert. Bereits im Juli habe er sich mit Michael Fuchs zu einer Vorbesprechung getroffen. "Ohne einen gewissen geordneten Zeitablauf funktioniert so ein langer Drehtag nicht reibungslos", erklärt der Autor. Bei sehr schlechtem Wetter hätte man die Aufnahmen verschieben müssen. Am vergangenen Freitag hat das Filmteam, das in Marktredwitz im Hotel "Bairischer Hof" untergebracht war, einen Abstecher nach Waldsassen gemacht, um in der Glasfabrik Lamberts Aufnahmen von der Produktion von handgefertigten Butzenscheiben zu schießen. "Diese Scheiben sorgten in den Burgen dafür, dass es nicht zu kalt war", erklärt Becker mit dem Hinweis, dass die Fenster in den Festungen deshalb so klein waren. Die Dokumentation soll nämlich vor allem mit der allgemein üblichen Verklärung des Lebens auf einer Burg aufräumen. Der Tagesablauf in einem derartigen Bollwerk sei vor allem in Ritterfilmen geradezu romantisiert worden.

Nachdem am Samstag die Anfangssequenzen, in der Michael Fuchs seine Blide dem Burgenforscher vorstellt, im Kasten war, folgt für den Historiker der mit Spannung erwartete erste Schuss. Dazu haben sich auch einige Interessierte eingefunden, die bereits beim "Collis Clamat" von den Dreharbeiten Wind bekommen haben und dazu auch von weither anreisten.

Mit reiner Muskelkraft spannen vier Mitglieder der Hundlinge das Katapult mit Hilfe von seitlich angebrachten Laufrädern. Die Filmcrew geht dabei ruhig ihrer Arbeit nach, währenddessen Zeune kaum die Beine still halten kann. Als die Blide "geladen" ist, applaudiert Zeune spontan, um danach nach seiner Kamera zu suchen, die er in der Aufregung im Auto vergessen hat. Staunend beobachtet der Mittelalterexperte, wie ein zentnerschwerer Stein weit über 50 Meter katapultiert wird, und mit einem dumpfen Schlag auftrifft. "Jetzt verstehe ich, warum man das im Mittelalter als Teufelsmaschine bezeichnet hat", staunt Zeune mit weit aufgerissenen Augen. Der letzte Dreh folgt am Abend mit einem Feuerschuss. Doch dann ist zumindest für die Filmcrew noch lange nicht Schluss. "Im Prinzip sind wir mit den Köpfen bereits im Schneideraum, um den Film fertigzustellen, den wir das letzte halbe Jahr gedreht haben", sagt Becker, nachdem schließlich alle Szenen im Kasten sind.

Autor

Bilder