Fichtelgebirge
"Den Ausschuss lasse ich mir patentieren"
Vor neun Jahren hat der Wunsiedler Bürgermeister Karl-Willi Beck ein besonderes Gremium ins Leben gerufen. Es berät über Jahrhundert-Beschlüsse.

Wunsiedel - Wunsiedel hat viele Besonderheiten. Angefangen vom Felsenlabyrinth bis hin zu einer echten Mumie im Keller des Luisenburg-Gymnasiums. Auch die Stadtratsarbeit läuft in der Festspielstadt etwas anders als in vergleichbaren Orten. Hier gibt es zusätzlich zu den üblichen Gremien einen Großbaumaßnahmen-Ausschuss. Die Runde besteht aus sechs Stadträten und dem Bürgermeister. Wie es der Name vermuten lässt, geht es bei den Tagungen um große Projekte und große Summen. Wer dem Ausschuss angehört, kann von sich behaupten, das Gesicht der Stadt zu prägen.
Wer Mitglied im Wunsiedler Großbaumaßnahmen-Ausschuss wird, muss Zeit mitbringen. Eine Sitzung dauert durchschnittlich drei Stunden und 45 Minuten. Insgesamt hat das Gremium in 101 Sitzungen 379 Stunden und acht Stunden getagt (insgesamt knapp 16 Tage). Außer der Luisenburg und der Jean-Paul-Schule samt Schwimmhalle kümmert sich der Ausschuss um den Bau des Kindergartens Holenbrunn und demnächst um den in Schönbrunn sowie voraussichtlich um den Ausbau der Luisenburg-Talstation. Zusammen haben die Projekte ein Finanzvolumen in Höhe von 52,2 Millionen Euro. Dem Ausschuss gehören neben Bürgermeister Karl-Willi Beck folgende Stadträte an: Margit Widenmayer, Gertraud Sturm, Manfred Söllner, Franz Rattler und Rainer Schöffel.
"Es war während des Baus des Luisenburg-Betriebsgebäudes, als mir die Idee zu dem Gremium gekommen ist", sagt Bürgermeister Karl-Willi Beck im Gespräch mit der Frankenpost . Damals, 2010, habe es auf der Baustelle etwas "gehakt", drückt es das Stadtoberhaupt milde aus. "Da dachte ich mir. Mensch, Charly, jetzt musst du was unternehmen, damit unser Jahrhundertprojekt gelingt." Fortan begleiteten die Stadträte den Baufortschritt intensiv.
Genau 101 Mal hat das Gremium bisher getagt. Es gab einige wenige Sitzungen, die nach einer halben Stunde beendet waren, die längste dauerte sieben Stunden und 25 Minuten.
"Mir ist es wichtig, dass alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind", sagt Beck. Deshalb reden in dem Ausschuss nicht nur die sechs Stadtratsmitglieder und der Bürgermeister miteinander, sondern auch der zuständige Architekt, der Projektsteuerer, die Mitarbeiter der Verwaltung und die späteren Nutzer des Gebäudes. Im Falle des Luisenburg-Betriebsgebäudes war dies der damalige Intendant Michael Lerchenberg.
Der größte Nutzen des Gremiums lässt sich in Cent und Euro beziffern: Die Kosten bleiben im Rahmen. Dies ist naturgemäß nicht nur Beck und den Stadträten ein Anliegen. Vor allem Stadtbaumeister Klaus Brunner, der die Projekte auf Seiten der Verwaltung verantwortet, achtet wie ein Fuchs auf das Geld.
Bei der Generalsanierung der Jean-Paul-Schule liegt die Kostensteigerung bei 15,7 Prozent, bezogen auf die Planungen aus dem Jahr 2010. Beck: "Wenn man weiß, dass der Baukostenindex in diesem Zeitraum um mehr als 20 Prozent gestiegen ist, schneiden wir hervorragend ab."
Noch besser fällt das Ergebnis mit Blick auf den tatsächlichen Bau aus. Erst einige Zeit nach den ursprünglichen Planungen hat der Stadtrat entschieden, noch eine Mensa einzubauen. "Ohne Mensa wäre die Kostensteigerung geringer gewesen", sagt Brunner. Die Zusatzausgaben bereut aber niemand. Täglich freuen sich mehrere Dutzende Schüler über ein frisch gekochtes Mittagessen.
Insgesamt haben die Ausschuss-Mitglieder bislang 1034 Tagesordnungspunkte behandelt und ebenso viele Entscheidungen getroffen. Überwiegend waren dies Auftragsvergaben bis zu einer Million Euro. "Wir haben auch harte Schnitte ausführen müssen", sagt Beck. Damit meint der Bürgermeister die Übereinkunft, den Architekten zu entlassen, der das neue Betriebsgebäude geplant hat. "Er hat eine deutschlandweit einzigartige Fassade entworfen." Allerdings war die technische Realisierung im vorgegebenen Kostenrahmen nicht möglich. Als dies klar war, haben die Ausschuss-Mitglieder sieben Stunden getagt. Dann stand fest, sich vom Architekten zu trennen. Kurzzeitig überlegten die Mitglieder, von der künstlerischen Gestaltung der Fassade als imitierte Felswand Abstand zu nehmen und den Bau in schlichter Form zu vollenden. Während der Diskussion um die Fassade arbeiteten sich die Stadträte zusammen mit Technikern und Planern tief in die komplexe Materie ein. "Es handelt sich um eine vorgelagerte Fassade mit dahinterliegender Dämmung", erläutert Beck. Letztlich ist den Ausschuss-Mitgliedern ein Spezialunternehmen aus Bodenwöhr in den Sinn gekommen, das in der Lage sein könnte, das Baukunstwerk doch noch zu realisieren. So ist es dann auch gekommen. Die Spezial-Betonbauer aus der Oberpfalz haben die Fassade mit 174 unterschiedlichen, jeweils tonnenschweren Betonelementen verwirklicht.
Bürgermeister Beck sieht den Großbaumaßnahmenausschuss als Gewinn für die Stadt, da Kostenexplosionen vermieden werden, für die Stadträte, da sie sich ein enormes Wissen aneignen, und für die Ingenieure und Architekten, da sie ihr Fachwissen für Laien verständlich erläutern müssen. "Wenn ich so darüber nachdenke, sollte ich mir den Großbaumaßnahmenausschuss patentieren lassen", sagt Karl-Willi Beck und lacht.
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