Fichtelgebirge Neues Leben in alter Gießerei

Geschäftsführer Wolf-Christian Küspert und Projektleiter Michael Däumler freuen sich, dass die neue Produktionshalle schon weitgehend fertig ist. Foto: Matthias Bäumler Foto: Henning Rosenbusch

Die Gelo-Holzwerke übernehmen die Brache und eröffnen einen neuen Betriebsteil. Auch eine Garage für E-Stapler entsteht auf dem Gelände.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Weißenstadt - Als Wolf-Christian Küspert die alte Gießerei betritt, hat er nur einen Gedanken: "Nein, niemals." Die große Halle, in der bis vor etwa fünf Jahren noch gusseiserne Boden-Einfassungen für Bäume oder Laternenmasten hergestellt wurden, ist komplett vermüllt. Hier will man nur noch schnell weg. Doch als der Geschäftsführer der Gelo-Holzwerke sich durch die rußschwarzen Räume tastet, erahnt er deren Potenzial. Jetzt, Monate später, ist die einstige Gießerei nicht mehr wiederzuerkennen. Ein heller Boden, blitzsaubere Stahlträger und holzvertäfelte Wände. Die viele Quadratmeter großen Fenster und LED-Strahler an der Decke fluten den Raum mit Licht.

Baumscheiben für die gesamte Welt

Über die einstige Gießerei im Fichtelgebirge (GIF) finden sich kaum Unterlagen. Bekannt ist, dass nach einem Brand der Gießerei der Firma Hess AG in Villingen sich dieses Unternehmen mit einer Minderheitenbeteiligung in die GIF einkaufte. Die Hess AG war einer der größten Hersteller für sogenannte kommunale Stadtausrüstung. 2008 und 2009 investierten die Württemberger mehr als 1,8 Millionen Euro in die Gebäude und die Ausrüstung der Weißenstädter Gießerei. Anschließend produzierten die Mitarbeiter im Fichtelgebirge alle Gussprodukte aus Aluminium oder Grauguss der Firma Hess AG - von der Straßenlaterne, über Baumscheiben, Mülleimer, Pflanzgefäße bis zu Parkbänken. Die Produkte wurden weltweit vermarktet und finden sich noch heute in so gut wie jeder Großstadt. 2013 musste die Hess AG Insolvenz anmelden und kurz darauf endete die anfängliche Erfolgsgeschichte der Gießerei im Fichtelgebirge. Noch heute stehen einige der Produkte auf dem Gelände, so zum Beispiel die Muster-Masten einiger Straßenlaternen. In den Schmelzöfen konnten 500 Kilogramm innerhalb von 35 Minuten auf rund 1450 Grad erhitzt und flüssig gehalten werden. Gelo-Geschäftsführer Wolf-Christian Küspert ermöglichte es nach dem Kauf des einstigen Gießerei-Areals dem heimatkundlichen Arbeitskreis, sich in den Räumen umzusehen, um historisch wertvolle Gegenstände zu sichern. "Leider war nicht viel vorhanden."

"Ja, wir haben die Gebäude und das gesamte Areal gekauft", sagt Küspert im Gespräch mit der Frankenpost . Auf der einstigen Brache, die fast zugewuchert war, entsteht demnächst ein neuer Produktionszweig der Holzwerke: Gelo fertigt in der Halle Bauteile und Baugruppen nach Maß. Millimetergenau fräsen und sägen computergesteuerte Roboter alle denkbaren Zapfen und Verbindungs-Winkel in die Balken. So müssen zum Beispiel Zimmerleute nicht mehr selbst zur Kettensäge greifen. "Die Fachleute können ihr Know-how für andere Arbeiten verwenden." Der Geschäftsführer sieht ein großes Potenzial in der neuen Fertigung. Klassisch seien sicher Dachstühle, die hier passgenau vorgefertigt werden könnten. Aber auch ganze Bausätze für Häuser oder Carports seien denkbar.

Vor etwa fünf Jahren ist die einstige Gießerei nach der Insolvenz in eine Art Dornröschenschlaf verfallen. "Die letzten Beschäftigten müssen die Räume von hier auf gleich verlassen haben. Auf einem Tisch lagen noch eine Brotzeit und ein Glas Senf", sagt Küspert. Doch das war noch das geringste Problem. "Wir mussten insgesamt 150 Tonnen Müll entsorgen." Wie Gelo-Projektleiter und Sicherheitsbeauftragter Michael Däumler berichtet, waren die Räume mit alten Tanks, Möbel, Restmüll und vor allem Gießereisand vollgestopft. "Es war zunächst gar nicht mal klar, wie hoch die Produktionshalle ist, da wir den Boden nicht ertasten konnten." Erschwerend kam hinzu, dass die letzten Verantwortlichen wegen der Insolvenz alles irgendwie Verwertbare weggeschafft hatten. "Kabel und sogar Eisenträger sind herausgerissen worden." Die verbliebenen Träger waren komplett verrostet. Mit Hilfe von Dampfstrahlern und harten Bürsten blitzen die Stahl-Elemente wieder wie neu.

Zur Gießerei gehörten nicht nur die Produktionshalle, sondern zudem das angebaute Wohn- und Bürohaus, eine kleinere Werkstätte und ein Mehrfamilienwohnhaus. Gelo hat die Brache en bloc gekauft. "Natürlich muss kein Mieter im Wohnhaus Bedenken haben, alles bleibt wie es ist", sagt Wolf-Christian Küspert. In dem angebauten Wohn- und Bürohaus findet die Arbeitsvorbereitung für die neue Abteilung Platz. Hier wird ein Holztechniker die Bauteile am Computer programmieren und damit die Fräs- und Säge-Roboter "füttern". Außer dem Techniker seien pro Schicht zunächst drei weitere Mitarbeiter vorgesehen, die in der alten Gießerei einen neuen Arbeitsplatz fänden, sagt der Geschäftsführer.

Auch für das kleine Werkstattgebäude hat Küspert Pläne. Noch riecht es nach Stahl und Staub. Der Raum hat den Charme eines schwarzen Loches. "Hier wird unsere neue Staplergarage entstehen." Zug um Zug will Gelo die Staplerflotte auf E-Motoren umstellen. Bisher werden von 20 Staplern acht elektrisch betrieben. "Im Herbst kommen zwei weitere hinzu", sagt Däumler. Wenn im Fichtelgebirge in Zukunft Wasserstoff produziert wird, kann sich Gelo-Geschäftsführer Küspert vorstellen, auch auf diese Art des Antriebs umzustellen. Zunächst plant er aber, in der einstigen Werkstatt mehrere Ladestationen für die Batterien der Stapler einzubauen. Wie Sicherheitsbeauftragter Däumler sagt, haben sich die Arbeitsbedingungen der Holzwerker schon jetzt eindeutig verbessert. "Die E-Stapler sind wesentlich leiser und verursachen keine Abgase."

Bis Weihnachten soll das 28 300 Quadratmeter große einstige Gießerei-Areal komplett fertig sein. Ein Kraftakt, der laut Küspert ohne die gute Zusammenarbeit mit der Stadt, der Regierung von Oberfranken und dem Landratsamt so nicht möglich wäre.

Insgesamt hat Gelo rund zwei Millionen Euro in den Aufbau des neuen Geschäftszweiges investiert. "Für uns ist das alte Gießerei-Gelände ideal, da es direkt an unser Rundholzlager anschließt", sagt Küspert.

Hoch erfreut ist auch Bürgermeister Frank Dreyer. "Hier entstehen neue Arbeitsplätze für Fachkräfte, zugleich wird ein städtebaulicher Missstand beseitigt."

Autor

Bilder