Die Antragskonferenz ist ein Verfahrensschritt auf dem Weg zur Höchstspannungs-Gleichstromtrasse (HGÜ). Nachdem feststeht, dass der einen Kilometer breite Trassenkorridor quer durch die Landkreise Hof und Wunsiedel führt, geht es nun um den genauen Verlauf der Trasse. Diese Konkretisierung wird laut Janine Haller von der Bundesnetzagentur etwa eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen. "Mit der Antragskonferenz holen wir uns Anregungen und Hinweise der Menschen vor Ort, da wir dies von Bonn aus (Anmerkung: hier hat die Bundesnetzagentur ihren Dienstsitz) nicht in der Art leisten könnten." All die Beiträge aus den Reihen der rund 150 Besucher fließen in die Trassenplanung ein. Die von Tennet ausgearbeitete und auf deren Homepage aufgezeichnete gepunktete Linie hat demnach noch lange keine Gesetzeskraft, sondern ist lediglich die von Tennet favorisierte Trasse.
Alle in Selb geäußerten Hinweise hat die Bundesnetzagentur aufgezeichnet und mitstenografiert. "Aus diesen erstellen wir ein Hausaufgabenheft, das Tennet abarbeiten muss", erläuterte Janine Haller. Anschließend folgen weitere Verfahrensschritte, unter anderem eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung, bevor am Ende die Planfeststellung steht. Erst nach dieser besteht nach derzeit geltender Rechtslage die Möglichkeit zu klagen.
Genau hier kommen Rechtsanwalt Wolfgang Baumann und der Landkreis Wunsiedel ins Spiel. Baumann hält es für verfassungswidrig und auch der europäischen Gesetzgebung widersprechend, dass keine Rechtsmittel gegen die Bundesfachplanung vorgesehen sind. Da dies dem Europarecht widerspreche, hat der Landkreis Wunsiedel Klage beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig eingereicht. Laut Baumann sind nun zunächst die Richter in Leipzig am Zug. Bevor diese nicht entschieden hätten, sei eine Antragskonferenz nicht rechtens. Seinen Antrag, die Selber Konferenz daher auszusetzen, beschied die Bundesnetzagentur am Montag gegen 17 Uhr negativ.
Für die vielen Landwirte, die bereits vor Beginn der Antragskonferenz auf dem Parkplatz der Dorschner-Halle demonstriert haben, geht es nicht um juristische Interpretationen, sondern schlicht um ihre Existenz. Sie befürchten drastische Folgen, sollte die HGÜ-Trasse ihre Felder, Wälder und Äcker durchschneiden. Ein Landwirt aus der Nähe von Marktredwitz glaubt, dass auf der gesamten Trasse der Boden unwiederbringlich beschädigt wird.
Zwei Frauen aus Kirchenlamitz sorgen sich wegen der Strahlenbelastung, die ihrer Ansicht nach nicht geklärt ist.
Doch was, wenn nun Mitarbeiter von Tennet oder einer vom Netzbetreiber beauftragten Firma Grundstücke betreten und Bodenproben entnehmen? Tennet-Justiziar Christoph Fischer vertritt die Ansicht, dass die Mitarbeiter auf Privatgrund oder Landkreis-Grundstücke dürfen. Er beruft sich dabei auf das Energiewirtschaftsgesetz.
Das erkennt Baumann zwar an, allerdings nur, wenn zuvor eine Anordnung der Bundesnetzagentur erlassen worden ist. "Und diese muss konkrete Angaben enthalten, wann die Tennet-Vertreter das Grundstück betreten und zu welchem Zweck. In dem Schreiben müssen die Arbeiten genau beschrieben sein." Dies sei Voraussetzung, um später eventuell auftretende Schadensersatz-Ansprüche geltend zu machen. "Wenn die Firmen mit Kettenfahrzeugen auf ein bestelltes Feld fahren oder bis zu 50 Meter tief bohren, bleiben Schäden nicht aus. Was ist, wenn eine wasserführende Schicht angebohrt wird und das Grundstück trocken fällt? Wenn es keine Anordnung der Bundesnetzagentur gegeben hat, gegen die man einen Rechtsbehelf einlegen kann, wird Tennet argumentieren, dass der Eigentümer die Arbeiten so geduldet hat."
Genau dies gilt nach Ansicht von Baumann auch im Falle des Landkreises Wunsiedel, der ebenfalls mit mehreren Grundstücken von der Trasse betroffen ist. "Bislang liegt noch keine Anordnung der Bundesnetzagentur vor, daher empfehle ich dem Landkreis, keine Tennet-Mitarbeiter auf den betroffenen Flächen zu dulden."
Offenbar liegen mittlerweile auch bei der bayerischen Staatsregierung wegen des Widerstandes gegen die Trassen die Nerven blank. Baumann berichtete im Gespräch mit der Frankenpost , dass die Staatsanwaltschaft entschieden gegen all jene vorgehe, die verhindern wollen, dass ihre Grundstücke betreten werden. "Ich empfehle gegen eine Duldungsanordnung einen Rechtsbehelf einzulegen."
Unabhängig von der Debatte, ob Tennet auf Privat- oder öffentlichen Grund darf, brachten Betroffene aus der Region ihre Einwände gegen den Trassenkorridor vor. So ärgerten dem Hofer Landrat Oliver Bär etwa mehrere Trassen-Abschnitte im Landkreis Hof. Unter anderem werde die geplante Erweiterung des neuen Gewerbegebietes bei Gattendorf zerschnitten. "Ich lade die Bundesnetzagentur und Tennet dazu ein, jeweils in die Orte zu kommen und die Fragen am runden Tisch zu klären." Janine Haller von der Bundesnetzagentur sagte, dies sei in ihrem Sinne.