Marktleuthen Landkreis geht beim Artenschutz voran

Wolfgang Neidhardt

Ein Forschungsprojekt soll zeigen, wie Landwirte den Spagat zwischen Bewirtschaftung und Artenschutz schaffen. Mit im Boot sind zwei Universitäten, Bildungsstätten, Naturschützer - und alle Bürger.

 
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Marktleuthen - Der Landkreis Wunsiedel geht einmal mehr voran in Sachen Naturschutz: Im kommenden Monat wird er ein großes Forschungsprojekt zur Artenvielfalt starten, das in Bayern einzigartig ist. Am Ende des sechs Jahre währenden Prozesses, für den der Landkreis eigens zwei Fachleute eingestellt hat, sollen die Bauern wissen, wie sie künftig ihre Flächen schonender bewirtschaften und gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zum Artenschutz leisten können.

"Die Landwirte sind unsere wichtigsten Partner", betonte Stefan Schürmann, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt, beim Startschuss für das 1,7 Millionen Euro schwere Projekt. Es heißt offiziell InseGdA und steht für Artenvielfalt im Eger- und Röslautal sowie Anwendung insektenfreundlicher Bewirtschaftungsmethoden im Verbund von Gewässer und Auen. Der Landkreis steuert rund 65 000 Euro bei.

Um das Projekt vorzustellen, wählte Schürmann ein Gebiet, in dem noch seltene Pflanzen auf typischen Flächen vorkommen: nahe der Marktleuthener Kläranlage bei Hebanz. "Hier steht mein Lieblingsbaum, die Zitterpappel. Ohne sie gäbe es hier keinen Schillerfalter oder Trauermantel. Und auch der Specht liebt diesen Baum sehr", sagte Schürmann. Am Rand der angrenzenden Wiese findet sich ein "botanischer Höhepunkt", eine Fläche, auf der Schürmanns Mitarbeiterin Gudrun Frohmader-Heubeck dafür sorgt, dass sich die seltene Arnika und die Buschnelken weiterentwickeln können.

Diese Beispiele zählt Schürmann auf, um den Wert einer Landschaft zu verdeutlichen, die schonend bearbeitet wird. Aus benachbarten Selbbachtal nennt der Artenkenner noch zwei Insekten, die erst vor Kurzem dort entdeckt worden sind: die blauflügelige Ödlandschrecke und der große Warzenbeißer. Die Bauern müssten diese Tiere nicht kennen, aber sie sollten Zusammenhänge erkennen. Um ihnen dies zu erleichtern, startet das Forschungsprojekt mit einem ersten Treffen mit Landwirten. Fachleute werden sie dann in einer Arbeitsgruppe regelmäßig beraten.

Der Projektgebiet umfasst 550 Hektar und erstreckt sich quer durch den Landkreis, vom Weißenstädter See über Röslau nach Schönbrunn und von dieser Linie bis zur tschechischen Grenze. In vier Projektgebieten werden die Experten erforschen, wie ein Kompromiss aussehen kann zwischen Bewirtschaftung von Gewässern und Wiesen einerseits und dem Artenschutz andererseits. Dass die herkömmliche Arbeit der Bauern viele Arten verschwinden lässt, erklärt Stefan Schürmann an einem Beispiel: "Die Heuballen tragen 98 Prozent der Insekten aus den Feldern hinaus." Seltener und dosiert zu mähen, sei eines der Rezepte.

Dem Landratsamt Wunsiedel stehen alleine 270 000 Euro zur Verfügung, die es als Anreiz und Förderung an die Bauern weitergibt. Nicht nur Wiesen und Felder, sondern auch Flüsse und Bäche stehen im Fokus. "Wir müssen diese anreichern mit Holz und Laub, Nährstoffen für Tiere. Die Sandbänke, die wir derzeit noch häufig sehen, sind für die Tiere wie eine Wüste."

Die Bedeutung der Insekten für eine intakte Natur verdeutlicht Dr. Oliver Kress, der eigens für dieses Projekt beim Landratsamt eingestellt wurde: "Insekten haben viele Aufgaben: Sie sind Nahrungsquelle für viele Tiere und gleichzeitig auch Bestäuber von Pflanzen." So lästig auch Wespen oder Stechmücken sein mögen - sie leisteten wertvolle Beiträge für die Erhaltung der Natur. Kress ordnet die Leistung der Bauern in größere historische Zusammenhänge ein: Ehe sie das Land in vergangenen Jahrhunderten hier urbar machten, waren große Teile dicht bewaldet. "Es gilt jetzt, die Natur zu erhalten, die wir Menschen selbst geschaffen haben."

Zu den Partnern des Projektes zählen die Universitäten in Bayreuth und Magdeburg - von letzterer kommt mit Dr. Michael Seidel ein weiterer eigens angestellter Mitarbeiter. Zu dem Forschungsteam, das Stefan Schürmann aufgebaut hat, zählen auch die Ökologischen Bildungsstätten in Hohenberg und Wunsiedel, Naturschutzverbände, Behörden und Kommunen. "Gerade von der interdisziplinären Arbeit erwarten wir uns wertvolle Erkenntnisse. Hier kann der eine vom anderen lernen. Auch von der Einbeziehung der Bürger versprechen wir uns viel. Denn nur, wenn unser Tun in der Bevölkerung akzeptiert wird, können die Forschungsergebnisse nachhaltig in die Praxis umgesetzt werden."

Zum Dialog mit den Bürgern gehört auch gute Information. Die Arbeit für die Insekten im Landkreis soll in einem "multimedialen Internet-Auftritt" gezeigt werden. "Man kann da in 3D-Modellen spazieren gehen. Und jede Insektenart, die hier einen Lebensraum hat, springt dem Betrachter regelrecht entgegen."

Vom Engagement und der Begeisterung seines Mitarbeiters lässt sich auch Landrat Peter Berek anstecken: "Das Fichtelgebirge und unser Landkreis, der sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat, sind der perfekte Ort für solche Forschungen. Ich bin mir sicher, dass wir hier große öffentliche Unterstützung erfahren werden." Und wenn die Menschen dann noch bereit wären, deutlich mehr für gutes Fleisch zu zahlen und den Landwirten auf ihre Weise den richtigen Weg weisen, besetzte der Landkreis eine weitere Vorreiterrolle.

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