Hof/Kulmbach 41-Jähriger kommt durch YouTube an eine Maschinenpistole

700 Schuss pro Minute kann die vollautomatische Maschinenpistole abfeuern, die ein 41-Jähriger in Berlin gekauft hat. Die Polizei stellte den Mann wenige Stunden nach dem Kauf in Berlin auf der Heimfahrt bei Streitau. Jetzt muss er sich im September vor Gericht verantworten. Symbolbild: Boris Roessler/dpa Quelle: Unbekannt

Über ein Video im Internet stellt ein Mann Kontakt zu einem Händler her. In Berlin kauft er sich eine Maschinenpistole. Die Verkehrspolizei Hof nimmt ihn bei Gefrees fest.

 
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Hof/Kulmbach - Die Geschichte hätte als Drehbuch wohl kaum Chancen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es als unglaubwürdig und zu weit hergeholt ablehnt wird, wäre hoch. Doch die Geschichte ist real. So real, dass sie wegen des Tatvorwurfs eines Verbrechens nach dem Waffengesetz Mitte September am Bayreuther Amtsgericht verhandelt wird. Im Fok us: Ein 41-jähriger Mann, der über den Video-Kanal Youtube und eine App zu einer vollautomatischen Maschinenpistole samt Magazinen und 128 Schuss scharfer Munition gekommen war. An alledem hatte er aber nicht lange Freude. Wenige Stunden nach dem Kauf der verbotenen Waffe wurde er nach der Fahrt über die A 9 bei Gefrees von der Polizei gestoppt. Seit März sitzt er in Bayreuth in Untersuchungshaft. Sein Anwalt, Alexander Schmidtgall aus Kulmbach, glaubt nicht, dass der Zugriff ein Zufall war.

Cybercrime-Spezialisten fahnden im Internet

Das Internet und besonders das Darknet bieten Kriminellen fast ideale Plattformen. Das ist natürlich auch der Polizei längst bewusst. In Bayreuth arbeitet seit Jahren oberfrankenweit ein Fachkommissariat für Cybercrime-Delikte. "Internet und Darknet sind kein rechtsfreier Raum", betont Christian Raithel vom Bayreuther Polizeipräsidium. Er bestätigt, dass die Polizei natürlich auch im Netz unterwegs ist. Gerade für solche Schwerpunkte wie Waffen- oder Drogenhandel interessierten sich die oft verdeckt tätigen Kripo-Spezialisten besonders. Zu dem konkreten Fall der in Berlin gekauften Maschinenpistole äußert sich die Polizei derzeit ebenso wenig wie die Staatsanwaltschaft. Der Fall liegt bei Gericht und wird bald öffentlich verhandelt. Zu Einzelheiten ihrer Fahndungsarbeit im Internet generell ist die Polizei aus nachvollziehbaren Gründen ebenfalls sparsam mit Auskünften. "Es gibt diverse Möglichkeiten", sagt Christian Raithel. Das Thema sei komplex. Neue Möglichkeiten der Überwachung räumt zudem das Polizeiaufgabengesetz den Fahndern ein. Bayerische Polizisten können bereits bei "drohender", nicht mehr erst bei "konkreter" Gefahr Personen überwachen.

Alles begann mit Surfen im Internet. Sein Mandant habe sich auf Youtube Videos angeschaut, in denen Maschinenpistolen eine tragende Rolle gespielt haben, berichtet Schmidtgall. Unter eines davon habe er sinngemäß geschrieben, dass er von so einer Waffe träume. Überraschend habe er Antwort bekommen. Er müsse sich nur eine bestimmte App herunterladen. Über die ließen sich Kontakte knüpfen, die den Traum wahr werden lassen können.

Gesagt, getan. Der Kontakt kam tatsächlich zustande. Es gab schnell ein konkretes Angebot. Für 1000 Euro stand eine vollautomatische sowjetische PPS-43 samt Zubehör und Munition zum Kauf. Sein Mandant habe das nicht glauben können, sei aber neugierig geworden, erzählt der Verteidiger. Mit dem Geld in der Tasche habe er sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Genau an diesem Tag, dem 18. März 2019, wurden bei einem Anschlag in Utrecht in der Stadtbahn vier Menschen erschossen, sechs weitere verletzt.

Ein Zwischenfall an einer Raststätte hätte den 41-Jährigen alarmieren und von der Fortsetzung seiner Reise abhalten können. Der Mann sei von der Polizei kontrolliert, sein Auto komplett durchsucht worden, schildert Alexander Schmidtgall, was sich an diesem Morgen zugetragen haben soll. Sein Mandant habe sich einem Drogentest unterziehen müssen. Dann sollen die Polizisten gezielt nach dem Handy des 41-Jährigen gefragt und ihn direkt auf jene App angesprochen haben, über die der Kontakt zu dem Waffenhändler geknüpft worden war. Sogar einen Funkspruch will der Mann mitgehört haben, in dem es darum ging, man solle jemanden weiterfahren lassen, er werde auf dem Rückweg kontrolliert.

All das hat den Waffennarren aber nicht nachdenklich gemacht. Er habe das nicht auf sich bezogen, berichtet der Verteidiger. Heute könne der Mann sich das auch nicht mehr erklären. "Er war emotional unter Hochspannung und nicht in der Lage, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen, da er nun einmal auf dem Weg war."

Wenig später kam es in Berlin zu dem Treffen mit dem Waffenhändler. Die voll funktionsfähige sowjetische Maschinenpistole aus dem Zweiten Weltkrieg wurde samt vier Magazinen und mehr als hundert Schuss Munition des Kalibers 7,62x25 in einer Sporttasche übergeben. Ruckzuck sei das gegangen, habe ihm sein Mandant erzählt. Angeblich habe er es selbst kaum glauben können.

Lange konnte sich der Mann aber nicht an seinem "Traum" erfreuen. Auf dem Rückweg war bei Gefrees die Fahrt zu Ende. Am frühen Nachmittag stoppten ihn im Bereich der Verkehrspolizei Hof Streifenbeamte auf dem Parkplatz Streitau West ein zweites Mal an diesem Tag. Wieder sei sein Mandant nach Drogen und diesmal auch explizit nach Waffen gefragt worden, sagt Schmidtgall. Die Durchsuchung des Fahrzeugs brachte schnell die Maschinenpistole samt Zubehör zutage.

Was dann folgte, war unausweichlich. Der 41-Jährige wurde von der Verkehrspolizei Hof festgenommen, die vollautomatische Waffe, die nur Dauerfeuer (700 Schuss pro Minute) schießen kann, sichergestellt. Es habe nur Minuten gedauert, bis auch die Kripo auf dem Parkplatz präsent gewesen ist und die weiteren Ermittlungen übernommen hat. Wenig später wurde gegen den einschlägig wegen anderer Waffendelikte vorbestraften und unter Bewährung stehenden Mann Haftbefehl erlassen. Seither wartet er im Gefängnis auf seinen Prozess.

Alexander Schmidtgall glaubt nicht an Zufall. Er will beweisen, dass die Polizei von Beginn an das gesamte Geschäft überwacht hat. Gelänge ihm dies, könnte nach seiner Überzeugung sein geständiger Mandant nur noch wegen eines minderschweren Falls bestraft werden, "weil er somit zu keinem Zeitpunkt die Chance hatte, mit der Waffe überhaupt irgendetwas anzustellen". Was der Mann mit der Waffe vorhatte, ist unbekannt.

Für den 41-Jährigen stehen, wenn er wegen eines Verbrechens nach dem Waffengesetz verurteilt würde, bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe im Raum. Bei einem minderschweren Fall liegt die Höchststrafe bei nur drei Jahren.

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