Hof Das Theater macht Ernst, aber nicht nur

Wo sie stehen, werden nächstes Jahr die Theaterbesucher sitzen (von links) Theater-Geschäftsführer Florian Lühnsdorf, Intendant Reinhardt Friese und der Kulturamtsleiter der Stadt Hof, Peter Nürmberger. Foto: Harald Dietz

Die Spielzeit 2020/21 des Hofer Theaters wirft einen kritischen Blick aufs Land. Die Besucher müssen sich dann auch räumlich neu orientieren.

 
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Hof - Aufgelöst war der Sohn, als er seinen Vater in Hof anrief. Der Vater ist Reinhardt Friese, der Intendant des Hofer Theaters. Der Sohn: Er lebt in Halle und lebt in der Nähe der Synagoge in Halle, wo ein Attentäter versuchte, Juden zu ermorden und, als dies nicht gelang, willkürlich zwei andere Menschen tötete. "Wir sind Zeitzeugen einer bewegten Debatte. Und Halle ist der bisherige Tiefpunkt", sagte Friese bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2020/21. Was hat die Hofer Bühne mit Halle zu tun? Viel.

Das Theater Hof präsentiert 2020/21

Musiktheater: "Das kalte Herz", nach dem Märchen von Wilhelm Hauff; "The Producers", Musical von Mel Brooks; Italienisches Liederbuch, Liederzyklus von Hugo Wolf; "Die Fledermaus", Operette von Johann Strauß; "The

Rake‘s Progress", Oper von Igor Strawinsky; "Brigadoon", Musical von Frederick Loewe; "Idomeneo", Oper von Wolfgang Amadeus Mozart.

Ballett: "Der kleine Muck", Kinderballett nach Wilhelm Hauff; "Chaplin!", Ballettabend vom Barbara Buser; "Ballett im Studio", Ballettabend nach Choreografien des Ensembles".

Schauspiel: "Mutter Courage", von Bertold Brecht; "Kanzlist Krehler", Tragikomödie von Georg Kaiser; "Status Quo", Schauspiel von Maja Zade; "A Walk on the wild Side", Liederabend mit Songs von Lou Reed, David Bowie, Leonard Cohen und anderen; "Florence Foster Jenkins", Schauspiel von Bill White; "Blues Brothers", nach dem Film von John Landis; "Willkommen", Komödie von Lutz Hübner und Sarah Nemitz; "Draußen vor der Tür", Schauspiel von Wolfgang Borchert; "Bruder Eichmann", Schauspiel von Heinar Kipphardt; "Der Sturm"; Romanze von William Shakespeare.

"Tagediebe, Wellenreiter, Abenteurer" überschreibt das Haus seine Spielzeit. Menschen, die in der Zeit stehen bleiben wollen oder sich nach der alten sehnen, Menschen, die nichts nach vorne bringen, sind zu erleben; auch die, die mutig sind und die Dinge voranbringen, um es besser zu machen. Nach ihnen hat sich Theater in der Erinnerung und in Textbüchern umgesehen oder hat Geschichten und Musik eigens für Hof schreiben lassen. In Brechts "Mutter Courage" etwa wird der Krieg ein Fest für Verkäufer, die Komödie "Willkommen" stellt die Frage, wie, nun, willkommen Fremde wirklich sind, wenn sie vor der eigenen Tür stehen. Und Heinar Kipphardts "Bruder Eichmann" leuchtet den Verwalter der nazistischen Vernichtung unzähliger Leben aus. So tief geht das Theater den wieder aufgeheizten Fragen der Zeit nach, dass Friese sogar einen eigenen Zyklus in der Spielzeit ausruft. "Land in Sicht" heißt er, eine Draufsicht auf Deutschland. Wer dem folgen will, kann sogar ein eigenes Zyklus-Abo ordern.

Das ist die eine Hälfte. "Wir sind kein Delikatessenladen und kein Ramschladen, sondern ein gut sortiertes Geschäft", sagt der Intendant. Das Theater kann auch von der Schwere, die durchaus komisch sein kann, ablassen und Spaß liefern. Das können die "Blues Brothers" sein, der "Kleine Muck", getanzt für Kinder oder ein Konzert in der Nachfolge der Johnny-Cash-Abende, bei der Ensemble-Mitglieder die Stones oder Lou Reed zitieren. In diese Spielzeit geht das Theater Hof mit einer Auftragsarbeit: Martyn Jaques, Frontman der britischen Band Tiger Lillies, hat das Hauff-Märchen "Das kalte Herz" in Musiktheater verwandelt.

Konzeptionell bleibt sich das Theater treu. Nur an eines muss sich der Gast des Hauses neu gewöhnen: Er muss nach der Kasse links abbiegen, statt nach rechts ins Foyer. Denn 1920/21 findet in der Interims-Spielstätte statt. Das Theater wird technisch und baulich saniert, 23 Millionen Euro fließen in die Arbeiten. Heute verlässt die Ausschreibung für die Halle das Haus, in dem ab September die Scheinwerfer angehen. Allein dieser Bau kostet 1,5 Millionen Euro. Reinhardt Friese wird dabei nicht müde, immer wieder zu betonen, dass der Besucher außer dem neuen Abbiegevorgang kaum etwas ändern muss: Er könne das Foyer wie gehabt nutzen, die Garderobe, die Toiletten und die Theke. Und schon im November 2020 soll das Studio schon wieder zum Spielplatz werden.

Auch Abonnenten müssten sich nicht umstellen. Zwar verliert das Haus mit der Interimsspielstätte mit 400 Plätzen 167 Plätze im Parkett - und nur das wird es geben -, aber jeder könne seinen Platz wie gehabt finden. Künstlerische Einbußen soll das nicht zeitigen, aber mangels Platz und Schnürboden dürfe niemand technisch sehr aufwendige Inszenierungen erwarten. Und weil der Orchestergraben auch nur maximal 40 Musiker aufnehmen kann, werde kein ausgewachsenes symphonisches Orchester spielen. Übrigens ein Grund, warum Mozarts "Idomeneo" mit traditionell kleinerer Besetzung gespielt wird und kein Monumentalwerk der Opernkunst.

Und in alle diese Planungen ist vergangene Woche Post aus München gekommen, die das Theater froh gestimmt hat. Der Freistaat steuert zum Etat von rund zehn Millionen Euro 5,2 Millionen bei - 200 000 Euro mehr als bisher. Und das Ministerium ließ wissen, dass das auch als Honorierung der Spielpläne zu verstehen sei. Hof habe sich mit Ur- und Erstaufführungen hervorgetan. Und das sei mehr als bloße "Zuschussprosa", wie Peter Nürmberger, der Kulturamtschef im Rathaus dazu bemerkte. Nun müsse nur noch mit der Sanierung alles glattlaufen. Und wenn die Arbeiten länger in die nächste Spielzeit reichen? Der Intendant macht sich da keinen Kopf: "Theater ist immer Improvisation."

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