Hof Corona-Strafe: Stadt Hof bittet Gastronom zur Kasse

Sören Göpel
Ein Tisch, eher Deko, um den Mülleimer zu verdecken, wurde Heiko Graf zum Verhängnis. Das Hofer Ordnungsamt sieht darin einen Verstoß gegen die Corona-Regeln im April. Graf habe an diesem Tisch Kunden bewirtet. Foto: Graf

Heiko Graf, Café- und Panetteria-Betreiber in Hof, muss 5000 Euro Corona-Strafe zahlen. Eine Geschichte über das Zusammenleben in einer Kleinstadt in Zeiten der Pandemie und kritische Beiträge im Internet.

 
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Hof - Die Karte des faulen Beamten, der auch in Krisenzeiten sein Gehalt pünktlich überwiesen bekommt, auch wenn draußen das Virus die Wirtschaft durchschüttelt und Millionen Menschen um ihren Job fürchten, diese Karte, sagt Heiko Graf, wolle er gar nicht spielen. "Es gibt viele Menschen in der Hofer Stadtverwaltung, mit denen kann man wunderbar zusammenarbeiten", sagt der Bäckermeister am vergangenen Freitag vor seiner Panetteria in der Kreuzsteinstraße. Er will einfach mal reden, wie er sagt, auch wenn es nun eigentlich nichts mehr nütze.

April. Das Leben in Deutschland ist auf das Minimum heruntergefahren. Restaurants und Cafés dürfen keine Gäste mehr bewirten. Dagegen hat Heiko Graf verstoßen, urteilte am 29. Juli ein Richter am Hofer Amtsgericht, nachdem sich Graf juristisch gegen einen Bescheid der Stadt Hof in Höhe von 5000 Euro gewehrt hatte. Der Tisch des Anstoßes steht meist rechts neben der Eingangstür seines Cafés "Coffeemaker" in der Altstadt. Ein Tisch mit Rollen, eher Dekoration und dazu da, um einen Mülleimer zu verdecken.

Das Hofer Ordnungsamt, schreibt Ilona Hörath, die Pressesprecherin der Stadt, habe jedoch immer wieder angemerkt, dass "vor den drei Gaststätten immer wieder Stehtische aufgestellt worden waren". Teilweise hätten dort Gäste gestanden mit Speisen und Getränken in der Hand. "Die dortigen Mitarbeiter wurden jeweils aufgefordert, die Tische zu entfernen. Dennoch waren immer wieder Verstöße zu verzeichnen." Graf sagt, er sei nie persönlich angesprochen worden. Ein Hinweis an seine Mitarbeiterinnen reicht ihm nicht. Dass die auch mal vergessen haben, den Rüffel des Ordnungsamtes an den Chef weiterzugeben, seit "natürlich nicht gut", sagt Graf.

Es ist der 24. April, ein Freitag, als das Ordnungsamt um 14.15 Uhr ein Fax nach Hallerstein schickt, quasi als letzte Mahnung. In dem kleinen Ort am Förmitzspeicher begann die Erfolgsgeschichte, die der Unternehmer seit zwei Jahrzehnten schreibt. Heute arbeiten 20 Leute für Graf. Seine Eltern haben die Bäckerei gegründet, Sohn Heiko baute das Unternehmen aus, beliefert von Hallerstein aus das Café in der Altstadt und die hippe Panetteria in der Kreuzsteinstraße, die sich stetig weiterentwickelt. In der Kulmbacher Straße arbeitet er mit einem Tankstellenpächter zusammen, in dessen Räumen Graf ein kleines Café eingerichtet hat. Das Froyos, wo es in den vergangenen Jahren geeisten Yoghurt in verschiedenen Variationen gab, hat er aufgegeben. "Zu wenig Umsatz", gibt Graf unumwunden zu, "mir hat es geschmeckt, deswegen habe ich es aufgemacht." Er kann mit Niederlagen umgehen.

Nun aber fühlt er sich schikaniert. Die Stadt, erzählt Graf, setzte nicht auf aktive, direkte Kommunikation. Das Fax sei ein üblicher Brief gewesen, den er in Hallerstein erst am Dienstag, 28. April, erhalten habe. Er habe gar nicht reagieren können auf das, was sich am Montag abspielte. Da hätten Mitarbeiter des Ordnungsamtes "darauf gelauert", ein Foto zur Dokumentation machen zu können, dass der Stehtisch zur Bewirtung genutzt wird. Die Stadt bestätigt dies. Um 11.35 Uhr hätten Mitarbeiter dokumentiert, dass Graf erneut gegen die Regeln verstößt. Ein Gast, erzählt Graf, habe damals an besagtem Tisch gestanden.

"Ein Gast!", zürnt Graf. "Ich habe mich ansonsten an alle Regeln gehalten: Spuckschutz an der Kasse, Flatterband an den Stühlen im Außenbereich, genug Desinfektionsmittel."

Der Unternehmer, schreibt die Stadt, habe sehr wohl Kenntnis genommen von dem Fax am Freitag, denn bereits am Samstag habe er seine Wut in einen Facebookpost auf seiner Firmenseite gegossen, der eindeutig gezeigte habe, dass Graf wusste, worum es geht. "Die Behauptung des Betroffenen ist somit nachweislich unwahr", schreibt die Stadt, die gar nicht den vollen Strafrahmen ausgeschöpft habe, wie sie schreibt: "Der damals geltende bayerische Bußgeldkatalog zur Corona-Pandemie sah einen Regelsatz in Höhe von 5000 Euro vor. Trotz des beharrlichen Verhaltens des Betroffenen wurde nicht davon abgewichen, den Bußgeldsatz zu erhöhen. Der Rahmen beträgt bis zu 25 000 Euro."

Der Richter gab der Stadt Recht. Rein rechtlich, erzählt Graf, hätte er nicht mal eine schriftliche Mahnung von der Stadt erhalten müssen, um bestraft zu werden. So habe ihm das der Richter nüchtern erklärt: "Ich müsste wissen, wie ich mich bei veränderten Rechtslage als Unternehmer zu verhalten habe." Auch Grafs Hinweis, dokumentiert mit Bildern, wonach andere Lokale damals Stehtische platziert hatten, nützte nichts. "Der Richter sagte mir sinngemäß, dass ein Regelverstoß nicht besser werde, wenn man ihn vergleicht."

Graf geht es gar nicht mehr darum, Straferlass zu bekommen. Erst recht nicht, nachdem Oberbürgermeistern Eva Döhla am Samstag im Frankenpost-Interview von "eindeutigen Fällen" berichtet hatte, als sie generell auf die Corona-Strafen während der Hochzeit der Pandemie angesprochen wurde. Graf geht es um mehr. Um den Umgang zwischen Stadtverwaltung und Bürgern, um Menschen, die sich noch trauen, ein Geschäft zu eröffnen, die ins Risiko gehen, die Arbeitsplätze schaffen. Und: "Die Hof immer hochhalten im Wettbewerb gegen Bayreuth, Bamberg, Plauen oder Marktredwitz, wo angeblich alles besser sein soll", sagt Graf.

Der Streit hat noch eine Nebengeschichte, die dem ganzen noch eine gewisse Würze gibt. Die Stadt, erzählt Graf, habe damals keinen Pächter gefunden für das Café am Hofer Eisteich. "Ich habe gesagt, ich machs, obwohl ich genug um die Ohren habe. Ich finde keinen Bäcker mehr, die Bürokratie überfordert kleine Unternehmer. Ich erwarte keine Sonderrechte, aber offene Kommunikation seitens der Verwaltung und tendenziell eher Zusammenarbeit mit denen, die diese Stadt beleben und für sie brennen." Er sei immer ansprechbar, erreichbar und offen für Kritik und kennt seine Fehler: "Ich bin zerstreut, ja, aber wer viel macht, macht auch viel falsch. Ich bin morgens ständig im Hofer Stadtgebiet unterwegs, wo ist das Problem, mich mal direkt anzusprechen, gerne auch deutlich", sagt Graf am Freitag.

Er fragt sich schon länger, ob sich die Verwaltung überhaupt als Dienstleister am Bürger sieht und Unternehmer unterstützt oder nur Paragrafen umsetzt. " Ich stelle mir schon die Frage, wie wir in diesen nicht ganz leichten Zeiten miteinander umgehen wollen, ob es links und rechts der Regeln nicht noch andere Lösungen gibt, wenn wir alle darum kämpfen, die Schäden dieser Pandemie gering zu halten." Dass Städte für Ordnung sorgen müssten, daran zweifle er gar nicht. Für ihn ist die Strafe dennoch "eine reine Machtdemonstration" der Stadtverwaltung nach seinem deutlichen Facebook-Eintrag im Internet. Er räumt aber auch ein, dass er diesen heute so nicht mehr schreiben würde.

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