Geboren wurde Rudolf Müller am 24. Februar 1918 in Schweinshaupten in den Haßbergen - "als der Kaiser noch an den Endsieg im Ersten Weltkrieg glaubte". Nach der Volksschule besuchte der intelligente Junge das Gymnasium in Haßfurt. Das bedeutete um 4.30 Uhr aufstehen, mit dem Fahrrad achteinhalb Kilometer zum Zug nach Hofheim fahren und nachmittags die Strecke wieder zurück. Nach dem Abitur kam er zum Militär. Den Zweiten Weltkrieg musste er vom ersten bis zum letzten Tag mitmachen, unter anderem in der gefährlichen Mission eines Artelleriefliegers hinter den feindlichen Linien. "Dass ich manche Situationen überlebt habe, ist ein echtes Wunder", erzählte er.
Neben seinem außergewöhnlichen Einsatz für die Justiz fand Dr. Rudolf Müller noch Zeit für Ehrenämter. Er gehörte Jahrzehnte dem Hofer Stadtrat an, war Mitglied des Kirchenvorstandes und Vorsitzender eines Elternbeirates. Dieses Engagement, für das er 1988 die Goldene Ehrenmedaille der Stadt Hof erhielt, wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung seiner Ehefrau Marianne, die ihm ebenso klug wie sanft zur Seite stand. Mit ihr unternahm er große Reisen, vor allem zu Zielen der klassischen Antike in Italien und Griechenland. Er konnte herzlich lachen und mit Menschen jeglichen Bildungsstandes über Gott und die Welt reden.
Nie hörte man Dr. Rudolf Müller klagen. "In mir ist es immer hell", sagte er manchmal, wenn er auf seine Erblindung angesprochen wurde. Lag er nachts wach, rezitierte er für sich lange Gedichte, den "Faust", oder dachte über die Argumente der altgriechischen Philosophen nach. Auch als vor zwei Jahren nach einem Sturz das Becken zertrümmert war und er einige Wochen liegen musste, sah er immer das Positive. Mit unglaublicher Willenskraft schaffte er es, wieder auf die Beine zu kommen und das zu tun, was er jahrelang getan hatte: mit einer Begleiterin, die mit ihm kaum Schritt halten konnte, um den Untreusee zu laufen. Danach ließ er sich das Essen schmecken und genoss einen Wein. Passend dazu zitierte er Psalm 104: "Der Wein erfreue des Menschen Herz."Auch an seinem letzten Tag freute er sich noch seines Lebens, saß auf der Terrasse und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen.
Dr. Rudolf Müller wird vielen Menschen fehlen. Er hat gezeigt, dass es sich lohnt, für das Gute zu kämpfen und dass man bei allem Leid das Dasein genießen und anderen zugeneigt sein kann. Es war ein Geschenk, ihn gekannt zu haben.