Hof Habeck will ein bisschen mehr Bayern

Lothar Faltenbacher

Grünen-Chef Robert Habeck lobt in Hof das Demokratie-Verständnis im Freistaat. Er spannt den Bogen von den Kommunalwahlen bis zum Kohleausstieg.

 
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Hof - Nie waren die Grünen so beliebt wie heute. Einen Anteil daran hat Bundesvorsitzender Robert Habeck, der am Samstag in Hof war, um beim Empfang des Hofer Kreisverbands von Bündnis90/Die Grünen über aktuelle politische Themen zu sprechen. Habeck gehört seit Monaten zum Kreis der beliebtesten und wichtigsten deutschen Politiker: In der Februar-Auswertung des ZDF-Politbarometers liegt der Grünen-Chef auf Platz zwei der Rangliste, nach Wolfgang Schäuble und vor Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Bereits bei der Anfahrt zum Vortragsort in der Mensa am Campus der Diakonie wurde deutlich, wer Ausrichter der Veranstaltung war: Auf dem Parkplatz standen in großer Zahl Elektro- und Hybridfahrzeuge, die belegen, dass viele Besucher Wert auf ökologische Verkehrsmittel legen. Habeck war mit der Bahn aus dem hohen Norden nach Hof gekommen. Vom Bahnhof an den Campus chauffierte ihn Sebastian Auer vom Hofer Kreisverband im E-Mobil. "Die Bahn war absolut pünktlich", scherzte der Spitzenpolitiker an Gerd Schörner, den Chef der oberfränkischen DB, gerichtet. Der saß neben vielen Grünen aus Oberfranken im Publikum, genauso wie Politiker der CSU, der SPD oder der Freien Wähler. Auch Landrat Dr. Oliver Bär und der Hofer Oberbürgermeister Dr. Harald Fichtner waren gekommen, um Habeck zu hören. An mehreren Stellen seiner Rede klatschen auch die beiden, und stimmen den Forderungen des ehemaligen Energie- und Landwirtschaftsminister aus Schleswig Holstein zu.

Vor etwa 150 Gästen machte der prominente Grünen-Politiker deutlich, was die Gesellschaft, allen voran die Politiker im Bund und auf Landesebene, verändern müssten, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Dass die Veranstaltung nur im Kreis geladener Gäste und nicht in einem größeren Rahmen mit Platz für interessierte Bürger stattfand, war nach Aussage von Martin Wolfers-Mildner dem "zu kleinen Organisations-Team des Kreisverbands Hof geschuldet, der eine Großveranstaltung nicht hätte schultern können".

In 38 Minuten streifte Robert Habeck aktuelle Themen der Bundes- und der Landespolitik. "Insbesondere der bayerische Landtagswahlkampf im vergangenen Herbst hat ein Zeichen gesetzt, dass die Demokratie lebendig ist und die Gesellschaft eine Zusammenarbeit auf europäischer Basis will", sagte er. Er freue sich über einen respektvollen Umgang der Parteien miteinander. "Das müssen wir für den Wahlkampf auf lokaler Ebene fortsetzen: Respekt muss stets über der Parteipolitik stehen, von Unterschieden in Sachfragen abgesehen." Er warnte von einer Betrachtung der Politik "der da oben in Land und Bund": Die Kernarbeit liege in der ehrenamtlichen Kommunalpolitik. Nur durch ehrenamtliche Arbeit könne eine Gesellschaft funktionieren. "Die Bürger in Bayern demonstrieren das zurzeit bestens, das beweist mir auch die tolle Aktion zum Volksbegehren Artenschutz."

In die gleiche Richtung zielte Habeck mit seinem Lob auf die Demos der Jugendlichen zur Sensibilisierung auf einen sorgfältigen Umgang mit der Umwelt. "Die jungen Menschen sagen uns deutlich: ‚Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.‘" Mit diesem Motto aus der Gründerzeit der Grünen vor 39 Jahren mahnte der Bundesvorsitzende die klimapolitische Arbeit auf Bundesebene an, in den nächsten 20 bis 30 Jahren alternative Energien aufzubauen. "Wir haben keine Zeit, auch wenn wir in den vergangenen Dekaden bahnbrechende Erfolge erzielt haben. Denn bereits heute sind die vorhandenen alternativen Energielösungen günstiger als die fossilen." Alle Beteiligten seien sich mittlerweile bewusst, dass mithilfe der digitalen Möglichkeiten eine Optimierung des alternativen Energieansatzes möglich sei. "Jetzt ist die Politik gefordert, die Mittel in kürzester Zeit einzusetzen." Gleiches gelte für die Unternehmer in der Industrie und in der Landwirtschaft.

Der kurzfristige Ausstieg aus der Braunkohleförderung ist Habecks Ansicht nach ein weiterer wichtiger Punkt für eine erfolgreiche Energiepolitik: "Wir wissen, dass an diesem Bereich Tausende Arbeitsplätze hängen, aber diese Technik wird so oder so sterben." Dabei müssten die betroffenen Menschen bei einer beruflichen Umorientierung unterstützt werden. "Lasst uns endlich beginnen, den Wandel zu gestalten."

Die Bereitschaft zum Wandel gelte auch für die Landwirtschaft, viele Landwirte hätten das bereits verstanden. Allerdings: "Discounter diktieren die Preise für Lebensmittellieferanten und steuern damit, wie Landwirtschaft zu funktionieren hat." Deshalb begrüßte Habeck die steigende Zahl der Bauern, die ihre Betriebe auf Bio- und Umweltmärkte umgestellt haben. "Die Bauern sind nicht alle urplötzlich Ökos geworden, sie haben den ökonomischen Nutzen erkannt, was auch im europäischen Wettbewerb nötig ist."

Als entscheidenden Faktor für einen gelungenen Wandel nannte der Grünen-Chef auch einen vernünftigen Ansatz im Bereich der Migration. "Wir hatten nie ein Problem mit muslimischen Kopftuch-Frauen, solange sie unsere Toiletten geputzt haben. Aber als sie plötzlich Juristinnen oder Akademikerinnen werden wollten, war das nicht mehr in Ordnung." Er erkannte diese Schwierigkeit vor allem bei jenen Gesellschaftsschichten, die sich "nicht mitgenommen" fühlten. Alle Parteien seien gefordert, in diesem Bereich aufzuklären und alle mitzunehmen. "Das geht nur gemeinsam und erfordert europäisches Denken." Nach Ausflügen in Chancen und Gefahren der Digitalisierung plädierte er für einen sensiblen Gebrauch von Daten. Er wandte sich gegen die Behandlung von Unternehmen wie Amazon, die einerseits dem lokalen Einzelhandel Probleme bereiteten, andererseits jedoch kaum Steuern zahlten. Habeck schloss mit dem Aufruf: "Lassen Sie uns die Probleme angehen und den Wandel gestalten!"

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