Schnarchenreuth Knapp am Untergang vorbei

Ein mutiger französischer Kriegsgefangener hat 1945 die Zerstörung von Schnarchenreuth verhindert. Edgar Munzert ist der Geschichte nachgegangen.

 
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Schnarchenreuth - Vor 75 Jahren, am 14. April 1945 um 14.30 Uhr, hat ein amerikanischer Panzerverband unter dem Kommando des Colonels Wysse das Dorf Schnarchenreuth unter Beschuss genommen. Warum dieser Angriff? Ein Stoßtrupp der Amerikaner, der von Eisenbühl kommend vorrückte, wurde von Mitgliedern des deutschen "Volksturms" mit Panzerfäusten und Karabinern beschossen. Sie hatten sich hinter einen großen Steinhaufen bei der Wegabzweigung nach Moos verschanzt. Mehrere Amerikaner wurden dabei tödlich getroffen oder verwundet.

Gut zu wissen

Der Berger Ortsteil Schnarchenreuth hat etwa 140 Einwohner. Das Schlossgut Schnarchenreuth prägt das Bild des Berger Ortsteiles: Nach der Fertigstellung Mitte des 18. Jahrhunderts erlebte das Gut eine wechselvolle Geschichte. Zuletzt kämpfte der Hofer Künstler Hans-Norbert Diehl alias Johnny von Schnarchenreuth für eine neue Nutzung des Gebäudekomplexes.


Heimatforscher Edgar Munzert hat trotz langjährigen Nachforschungen und auch Befragungen damaliger Gemeindebürger keine Einzelheiten über diesen Zwischenfall in Erfahrung bringen. Die "Volkssturm"-Männer kamen angeblich aus dem Saarland und sollen noch sehr jung gewesen sein. Über deren Schicksal ist nichts bekannt.

Nach der Abwehrattacke gegen die Amerikaner brachten diese ihre "Sherman"-Panzer auf der nahe liegenden Anhöhe "Rauher Bühl" in Stellung und feuerten mehrere der gefürchteten Phosphorgranaten auf Schnarchenreuth. Nach wenigen Minuten standen die fünf größten Bauernhöfe der Familien Ernst, Greim, Wolfrum, Schnabel und Drechsel sowie die Schreinerei Ebert in hellen Flammen und brannten bis auf die Grundmauern nieder.

"Viele Dorfbewohner suchten damals Schutz in den alten Schlosskellern, darunter meine Mutter, mein Bruder und auch ich als Vierjähriger", berichtet Edgar Munzert. Bei einem Granateneinschlag wäre wohl keiner mehr lebend herausgekommen. Dem im Dorf anwesenden französischen Kriegsgefangenen Robert Bailleux war es zu verdanken, "dass unser geliebtes Schnarchenreuth nicht dem Erdboden gleichgemacht wurde und alle Einwohner verschont blieben", erzählt Munzert. Unter Einsatz seines Lebens ging Robert Bailleux mit einer weißen Fahne zu den Amerikanern und konnte in schwierigen Verhandlungen den weiteren sinnlosen Beschuss und damit die restlose Vernichtung der Ortschaft verhindern.

Der mutige Franzose war als Kriegsgefangener bei den damaligen Familien Gebhardt und Redtwitz im Gasthaus untergebracht. Munzert erzählt: "Von diesen Gastwirtsfamilien wurde Robert wie ein eigenes Familienmitglied aufgenommen. Er wurde am gemeinsamen Esstisch verköstigt und als Kamerad behandelt, nicht wie ein Kriegsgefangener."

Aus Dankbarkeit und Verbundenheit war Robert mit seiner Ehefrau Tullia noch viele Jahre nach dem Krieg zu Besuch in Schnarchenreuth. Die Familie Bailleux wohnte in Aubervilliers in Frankreich. "Auch ich hatte viele Jahre Briefverkehr mit dieser wunderbaren Familie. Diesem beherzten, wagemutigen Mann müssen wir Schnarchenreuther immer dankbar sein", betont Edgar Munzert. Sandra Hüttner

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