Landkreis Kontra Volksbegehren: "Damit sterben noch mehr kleine Höfe"

Eine Biene sammelt Nektar in der Blüte einer Sonnenblume auf einem Feld im Aller-Leine-Tal. Foto: Holger Hollemann

Gut gemeint aber falsch gemacht? Die Landwirte sehen im Volksbegehren "Rettet die Bienen" eine Gefahr für die Bauern in der Region - und damit auch für die Natur.

 
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Hof/Landkreis - Die Bauern wollen die Bienen auch schon retten. Irgendwie. Aber nicht so: Das Volksbegehren erreiche in einigen Punkten das genaue Gegenteil dessen, was es als Ziel nennt, sagen die Landwirte. Zwar würden auch sie einige der Forderungen im Begehren unterstreichen - ihre Unterschrift unter das Volksbegehren setzen würden sie aber nicht. Zum einen schade es der Natur in einigen der geforderten Punkte sogar mehr als es ihr nutze, sagen sie. Zum anderen vergraule und vergräme es jene, die so verantwortungsvoll mit der Landschaft umgingen wie niemand sonst es tun würde - nämlich sie selbst. Dass die Landwirte darüber hinaus nicht schon wieder als pauschaler Buhmann dastehen wollen, ist da beinahe ein Randaspekt. Ein Streitgespräch mit Landwirten aus dem Landkreis übers Volksbegehren - Punkt für Punkt.

Die Ausgangslage: Wie ist es um die Umwelt im Freistaat bestellt? "Der Natur geht es gut", sagt Kreisbäuerin Karin Wolfrum. Sowohl ganz Bayern als auch Hochfranken sei in Sachen Landwirtschaft sehr kleinteilig aufgebaut: Hier prägten noch immer Familienbetriebe das Bild, hier kümmerten sich diejenigen um die Kulturlandschaft, die sich auch verantwortlich fühlen. Was also tun, wenn man die Umwelt so erhalten will, wie sie ist? "Uns einfach machen lassen. Uns, den Bauern, vertrauen in etwas, das wir seit Jahrhunderten machen." Das Volksbegehren wolle erreichen, dass sich die Natur regeneriere. "Dabei können wir bei uns wirklich froh sein, wenn es so bleiben würde, wie es ist", sagt Wolfrum. Sollten einige der Forderungen aus dem Volksbegehren umgesetzt werden, erreiche man aber im Gegenteil nur eines, sagt Wolfrum: "dass die Kümmerer kaputtgehen". Von weiter überbordender Bürokratie bis zu massiven wirtschaftlichen Nachteilen auch gegenüber den Nachbar-Bundesländern: Einige der Punkte im Maßnahmenkatalog des Volksbegehren führten zum genauen Gegenteil dessen, was die Initiatoren erreichen wollen.

Die Ziele und Forderungen: Sieben Punkte benennen die Verantwortlichen des Volksbegehrens - einige davon als Zielvorstellungen, andere als Forderungen oder Verbote. Letztere richteten sich zu sehr gegen die Landwirtschaft, monieren die Bauern. "Auf den 18 Seiten Gesetzestext stehen acht Verbote für die Landwirte. Manche davon sind wirklich Irrsinn", sagt Kreisobmann Hermann Klug dazu. Eines seiner Beispiele: Das Gesetz verbietet Bauern pauschal, ihre Wiesen nach dem 15. März zu walzen. "In Unterfranken, wo man ab Februar aufs Feld kann, mag das funktionieren; aber bei uns liegt doch oft bis Ende März der Schnee", sagt Elke Browa. Zudem: Wildschweinschäden dürfe man dann damit den ganzen Sommer über gar nicht mehr beheben. Was für den unbedarften Interessierten als Detailfrage erscheint, spiegelt für die Landwirte ein altbekanntes Problem wider: "Viele Leute informieren sich nicht richtig, bevor sie sich ihre Meinung bilden", sagt Bettina Riedel. Da gibt sie schon zu, dass die Bauern manchmal etwas dünnhäutig geworden sind: "Wir werden regelmäßig angegangen, oft ohne Grund oder aufgrund wirklich falscher Annahmen. Das kann einen doch nicht kaltlassen." Trotzdem wolle man versuchen, die akuten Streitfragen weg von der Emotions- und auf die Informationsebene zu hieven. Mit einer Analyse der sieben Punkte, so wie sie im Begehren aufgeführt werden.

1. Biotopverbünde schaffen: Da sehen die Landwirte Vor- und Nachteile. Wichtigstes Kriterium für sie: "In Biotopen wachsen meist nicht die Pflanzen, die für Biene und Co. wichtig sind - auch Wildschweine suchen sich lieber ihr Futter auf unseren Wiesen als im benachbarten Biotop", sagt Karin Wolfrum. Dennoch betrachten die das Vorhaben verhältnismäßig neutral.

2. Nachhaltige Ausbildung für die Landwirte: Das bringt die Bauern richtig auf die Palme. "Unsere Ausbildung ist so umfangreich und nachhaltig, wie man es sich nur vorstellen kann - sonst würde es uns längst nicht mehr geben", sagt Christine Hohberger-Puff. Bestandteil jener Ausbildung seien in großem Maße auch Bio-Anbau und Umweltthemen. Den Landwirten hier vorzuwerfen, sie rennen trotzdem nur Ertrag und Effizienz hinterher, sei unfair: "Ich glaube, kein Bauer in der Region hätte etwas dagegen, nur 30 Kühe zu halten. Aber davon können viele leider nicht leben." Im Durchschnitt stehen 35 Kühe auf einem Milchhof im Landkreis, ein Drittel der Höfe zählt mehr als 50.

3. Mehr Transparenz über die Umsetzung der Naturschutzgesetze: Dagegen haben die Bauern nichts, die Staatsregierung soll da ruhig Auskunft geben. Einziges befürchtetes Manko aus ihrer Sicht: Die Bürokratie für die Landwirte wird dadurch wohl nicht weniger werden.

4. Mehr Öko, mehr Bio: Heute werden zehn Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet - laut Volksbegehren sollen es bis 2030 30 Prozent sein. "Will man sich also Landwirte herausgreifen und ihnen die Umstellung aufzwingen?", fragt Christine Hohberger-Puff. Für Kreisobmann Hermann Klug kommt die Gefahr dabei von ganz anderer Seite: "Der Bio-Markt würde zusammenbrechen, wenn sich die Bio-Produktion verdreifachen würde." Schon heute nähmen Molkereien von den Landwirten keine oder kaum noch Bio-Milch an - die Kapazitäten seien gar nicht vorhanden. Zudem bestehe überhaupt keine höhere Nachfrage nach den Bio-Produkten aus der Region: "Bio boomt, ja. Aber das betrifft vor allem Bio-Paprika und Bio-Bananen. Und die können wir halt hier nicht anbauen", sagt Christine Hohberger-Puff. Und Karin Wolfrum rechnet vor: Je mehr ungewollte Bio-Milch auf dem Markt sei, desto mehr sinke der Preis dafür - sodass Bauern die vergleichsweise teure Herstellung erst recht nicht mehr stemmen können. "Landwirte sollen fair bezahlt werden", jenem Satz aus dem Volksbegehren würde wohl kaum jemand widersprechen. Doch haben die Landwirte der Region hier schon resigniert: Dass der Freistaat wirklich sein Fördersystem anders ausrichten will (oder, Stichwort EU: kann), halten sie für unwahrscheinlich. So bestimmt vor allem einer über die Bezahlung der Bauern: der Kunde. Und dass der oft den Discounter dem Direktvermarkter vorzieht, gehört für die Landwirte zum traurigen Alltag.

5. Mehr Blühwiesen: Mindestens zehn Prozent der Naturflächen müssen in Blühwiesen umgewandelt werden, fordert das Volksbegehren. Dazu sagt Karin Wolfrum: "Was wir momentan schon jedes Jahr - freiwillig - an Blühwiesen einrichten, dürfte fast genauso viel sein." Allerdings: Derzeit tun sich hier all jene Landwirte hervor, die sich das auch erlauben können. "Das für alle verpflichtend zu machen, wird viele vor Probleme stellen. Gerade in Jahren wie 2018 mit der großen Trockenheit brauchen viele jeden Quadratmeter Fläche, um ihr Vieh zu füttern."

6. Weniger Pestizide: Da schwingt für die Landwirte gleich wieder der Vorwurf mit, sie würden bislang ohne Maß und Ziel Pestizide spritzen. Dem widersprechen sie deutlich. Und wer dem Umweltbewusstsein der heimischen Landwirte nicht vertraue, den erinnern sie ans Finanzielle: "Spritzen kostet jede Menge Geld. Schon das allein wäre ein Grund, maßzuhalten."

7. Eine riesige Chance für die Bauern: Die sehen die Landwirte in der Region nicht - zumindest nicht für sich. Entgegen der Vorstellungen im Volksbegehren nämlich würden mit der gewünschten Gesetzgebung eben nicht die kleinen und nicht die Bio-Bauernhöfe unterstützt werden, sondern vor allem wieder die größeren Betriebe. "Dass man gerade im klein strukturierten Bayern so etwas aufsetzt, versteht keiner", sagt Hermann Klug. "Die anderen Bundesländer lachen uns aus." Die Bauern erwarten, sollten die Gesetze geändert werden, eine weitere Verschärfung ihrer Situation: "Damit werden noch mehr familienbetriebene Höfe aussterben", sagt Karin Wolfrum. Den Pflug übernehmen dann größere Unternehmen - und ob die das Land verantwortungsvoller bewirtschaften als die Familien vor Ort, dazu haben die Bauern eine eindeutige Meinung.

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