Marktredwitz Männerchor mit Schalk im Nacken

Der Katholische Männerchor Marktredwitz beweist auf der Bühne Humor. Das Repertoire umfasst nicht nur Kirchenlieder, sondern auch beschwingte Klassiker der Schlagermusik.

 
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Marktredwitz - Peng! Ein Chorsänger stürzt zu Boden. Ungläubig reibt sich das Publikum die Augen. Hat der Herr hinter ihm denn wirklich eine Pistole gezogen? Und: Hat er tatsächlich geschossen? Chorleiter Berthold Strahl muss schmunzeln, während er diese Anekdote erzählt.

Hochfranken singt

Mit der Aktion "Hochfranken singt - eine Region erklingt" möchte die Frankenpost das Kulturgut des Chorgesangs fördern. Deshalb hat sie alle Chöre von Schwarzenbach am Wald bis Hohenberg an der Eger, von Berg bis Marktredwitz dazu aufgerufen, sich zu bewerben. Aus 40 Einsendungen hat eine Jury die besten ausgewählt. Die Gewinnerchöre dürfen professionelle Aufnahmen im Tonstudio machen und sind damit auf einer CD vertreten, die unsere Zeitung herausgibt. Außerdem winken Auftritte beim "Ersten Hochfränkischen Chorfestival", das am Sonntag, 18. November, im Festsaal der Freiheitshalle Hof stattfindet. Termine im Frankenwald und im Fichtelgebirge werden noch bekanntgegeben.

Sie fällt dem bei der Marktredwitzer Pfarrei Sankt Josef angestellten Kirchenmusiker ein, als er von einem Konzert seines Katholischen Männerchors in den Niederlanden erzählt. Das Ensemble gab es vor einigen Jahren in einer Kirche in Swalmen ein Konzert - auf Einladung der dortigen Liedertafel, mit der die Marktredwitzer eine lange Freundschaft verbindet. "Der Pfarrer hat ganz schön verdutzt geguckt", berichtet Strahl lachend. "Dabei hat es sich natürlich nur um eine Schreckschusspistole gehandelt. Wir haben den "Kriminaltango" gesungen und wollten einen witzigen Effekt einbauen."

Nicht immer geht es beim Katholischen Männerchor Marktredwitz erzkatholisch zu. Auch mal aus der Reihe zu fallen, ist das Ensemble seiner Geschichte schuldig. Denn dass der Chor existiert, verdankt er einem mutigen Akt zivilen Ungehorsams: 1937, das Land befindet sich im Umbruch. Die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs steht noch bevor, doch das Hitler-Regime ist bereits seit vier Jahren an der Macht - Zeit genug, um Politik, Gesellschaft und Kultur weitgehend gleichzuschalten. "Kirchliche Verbände waren verboten", erklärt Berthold Strahl. "Singverbände aber nicht."

So kam es, dass ein findiger Hilfsgeistlicher den Nationalsozialisten ein Schnippchen schlug - indem er einfach einen Männerchor gründete und so das Versammlungsverbot umging. Ein musikalisch bewanderter Kollege übernahm den Posten am Dirigentenpult. Daher trägt das momentan 28-köpfige Ensemble den Namen "Katholischer Männerchor Marktredwitz", doch sein Repertoire erschöpft sich seit jeher nicht in den Gesängen der katholischen Liturgie. "Wir gestalten zwar auch Gottesdienste", berichtet Berthold Strahl, "doch Unterhaltungsmusik gehört bei uns ebenso dazu."

Das Publikum liebt den Chor für seine schmissigen Schlager-Interpretationen. Bei Klassikern wie "Aber dich gibt's nur einmal für mich" oder "Gitarren klingen leise durch die Nacht" werden nicht nur die Zuhörer wieder jung, sondern auch die Sänger - der jüngste ist 50 Jahre alt, der älteste bereits Mitte 80. Letzterer gehört dem Chor bereits seit 60 Jahren an. Deshalb wünscht sich der Chorleiter für die Zukunft vor allem: Nachwuchs.

Gelingt es nicht, neue Mitglieder zu gewinnen, müsste ein Ensemble sich auflösen, dessen Historie sogar auf die Marktredwitzer Stadtgeschichte abgefärbt hat: Seit 29 Jahren sind die Sänger aus dem Fichtelgebirge mit ihren Kollegen von der Liedertafel im niederländischen Swalmen befreundet, die sie später mit ihrem Pistolen-Gag erschrecken sollten. Der Kontakt zwischen den Chören kam durch ein gemeinsames Konzert zustande. Seitdem reist jedes Jahr eine Delegation aus Holland zum Marktredwitzer Altstadtfest. Zwei Mal reiste der Katholische Männerchor zum Gegenbesuch ins Nachbarland. "Bei uns hat die Reiselust aufgrund des zunehmenden Alters der Sänger leider etwas nachgelassen", erklärt Berthold Strahl. Längst jedoch ist aus der Freundschaft zweier Männerchöre auch eine Freundschaft zweier Orte geworden: Zwischen Marktredwitz und Swalmen, einem Ortsteil der Stadt Roermond in der Provinz Limburg, besteht heute eine Städtepartnerschaft.

"Singen fördert die Gemeinschaft", findet Chorleiter Strahl. Auch innerhalb des Chors funktioniere der Zusammenhalt bestens. "Obwohl viele Sänger schon lange dabei sind, kommen sie regelmäßig zur wöchentlichen Probe", berichtet der 59-Jährige. "Wenn ein Projekt ansteht, wollen meine Leute abliefern. Dafür nehmen sie auch in Kauf, mehr zu proben. Dadurch sind sie trotz des hohen Durchschnittsalters zu sehr guten Leistungen fähig."

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