Hof "Meisterstück" für glückliche Kühe

 Foto: Denise Franz

Tobias Puchta glaubt an die Zukunft seines Berufs. In Großlosnitz errichtet der Landwirtschaftsmeister einen Stall, der die Tiere gesund halten und ihm die Existenz sichern soll.

 
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Großlosnitz - "Kinder winken, Erwachsene zeigen auch mal den Mittelfinger." Tobias Puchta weiß, dass sein Beruf polarisiert. Das Image der Bauern hat gelitten, er spürt es. Verstehen kann er es nicht. Der 23-Jährige möchte Agrarwirt sein, seit er denken kann. Den Hof der Eltern in Großlosnitz bei Zell will er weiterführen - immer schon. Deshalb investiert er über eine Million Euro in einen Stall. Seine Eltern waren besorgt, ob der Betrieb Zukunft hat. Und Freunde wundern sich manchmal, warum er sich das antut. Er selbst zweifelt nicht. Die Stimme klingt entschlossen, das Argument simpel: "Jeder muss täglich essen, Landwirtschaft kann nicht sterben."

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In den nächsten Wochen stellen wir an dieser Stelle regelmäßig junge Landwirte aus der Region vor. Sie gehören zu einer Generation, die vieles gemeinsam hat: frische Ideen, neue Ansätze oder unkonventionelle Denkweisen, mit denen sie den alten und neuen Herausforderungen begegnen. Die Beiträge sind auch online zu finden unter www.frankenpost.de

Dennoch erlebt er, wie im Umkreis immer mehr Höfe verwaisen, weil die Jungen sie nicht weiterführen wollen. Als sein Vater damals den "Meister" gemacht hat, war er einer von 30 Landwirten. Tobias Puchta hingegen nahm heuer im Februar als einziger im Landkreis Hof den begehrten Meisterbrief entgegen.

Den Unterricht hat er geradezu aufgesaugt und - wie er sagt - viel gelernt. "Ich verstehe nicht, weshalb die Bevölkerung denkt, dass man nichts kann." Landwirte müssen seiner Meinung nach über ein breites Wissen verfügen, um sich Veränderungen anzupassen. Etwa dem Klimawandel. Seit der Meisterschule fühlt sich Puchta besser gerüstet. "Man darf in diesem Beruf nicht stehen bleiben, man muss wissbegierig bleiben, auf Messen fahren und Neuerungen durchdenken."

Sein "Meisterstück" befindet sich wenige Meter vom Hof entfernt auf einer Anhöhe. Von hier aus reicht der Blick weit über das Fichtelgebirge. Metallstäbe und Holzbretter markieren die Dimensionen, die der neue Stall annehmen soll - er wird fast 3000 Quadratmeter groß. Vier Jahre lang hat er den Bau geplant, vor Kurzem rückten die Bagger an. Sein Tierwohl-Stall entsteht. Er ist sein Kindheits-Traum. "Schon als Zehnjähriger wollte ich das." 130 Milchkühe werden hier Platz finden. Das Wort "Massentierhaltung" ärgert den jungen Mann: "Man kann drei Tiere schlecht halten oder 500 so, dass es jedem gut geht."

Seine Kühe sollen sich frei bewegen und selbst entscheiden, wann sie den Melkroboter aufsuchen. Im offenen Gebäude bekommen sie mehr Licht und Luft als in älteren Ställen. Puchtas Eltern gehörten zu den ersten, die vor 30 Jahren einen Laufstall gebaut haben. In Sachen Tierwohl ist mittlerweile aber mehr möglich, weiß der Junior. "Allein in den Jahren, in denen ich gelernt habe, hat sich viel verändert." Deshalb macht es ihn traurig, wenn alte Vorurteile in den Köpfen fest hängen.

Über soziale Netzwerke versucht er aufzuklären, obwohl er lieber mit den Leuten direkt reden würde anstatt per Tastatur. Denn natürlich zeigen die Daumen unter seinen Beiträgen nicht immer nach oben. Da wird dann über Subventionen geschimpft, auf die Puchta selbst gerne verzichten würde. "Lieber wäre mir ein fairer Preis für meine Produkte." Oder der Berufsgruppe wird die Schuld am Insektensterben zugeschoben. Dann erklärt Puchta, dass er heuer erneut Blüh-Streifen und 15 Hektar Zwischenfrucht angesät hat, und dass seiner Meinung nach vor allem der Flächenfraß in Bayern zu viele Wiesen vernichtet. Kommentare wie "Ihr seid alle Mörder" muss er ebenso wegstecken. Auch in Zeiten, in denen er richtig Geld investiert, damit es seinen Tieren gut geht.

"In dem neuen Stall will man selbst Kuh sein", scherzt er und zählt auf: Massagebürsten, beheizte Liegeboxen mit Strohmatten, Leckerlis aus dem Automaten und Auslauf zu jeder Jahreszeit. Kameras werden seine Tiere überwachen und ihm die Bilder aufs Handy schicken. Halsbänder übertragen Daten der Kühe. So weiß der Landwirt stets, wer, wann, wie viel Milch gegeben hat. Von der naturnahen Haltung erhofft er sich gesunde Tiere, die lange leben. "Nichts ist schlimmer, als wenn man den Tierarzt rufen muss. Da steht man nachts im Stall und leidet mit."

Im Dezember soll der Bau fertig sein. Der Vater hat dem Sohn freie Hand gelassen. Klaus Puchta gehört nicht zu den "Alten", die nachfolgende Generationen nicht ranlassen. In elf Jahren wird er ihm den Hof übergeben. Tobias Puchta entscheidet schon jetzt eigenständig, den Rat der Eltern nimmt er gerne an und profitiert von ihrer Erfahrung. Auch seine beiden Schwestern und die Großeltern wohnen auf dem Hof.

Ohne den Neubau könnte der Betrieb mit seinen 110 Hektar Land und aktuell 55 Milchkühen keine zwei Familien ernähren. Doch genau das ist der Plan. Tobias Puchta will hier bleiben, eine Frau finden, eine Familie gründen. Sein Nachwuchs soll die naturverbundene Kindheit erleben dürfen, die er selbst hatte und rückblickend zu schätzen weiß. Er fühlt sich hier in Großlosnitz geerdet, kann auf dem Bauernhof Glücks-Momente genießen: Früh die Stalltüre zu öffnen, den Geruch der Tiere, die breiten Kuh-Mäuler, die sich ihm entgegenstrecken, ganz allein auf dem Feld zu arbeiten, wenn die Abendsonne das Fichtelgebirge blutrot einfärbt. "Da brauchst du kein Radio, da musst du dir einfach diese fünf Minuten nehmen."

In solchen Augenblicken fühlt sich für ihn alles richtig an. "Die langen Arbeitstage im Sommer stören nicht, weil man ja weiß, wofür man es macht. Das treibt einen an." Er wolle sich nicht vom Negativen runterziehen lassen, sagt Tobias Puchta. Spannung und Veränderung seien eben stets dabei - beim "besten Beruf der Welt". Klar gäbe es Alternativen, überlegt er: "Aber die wären wahrscheinlich keine Erfüllung."

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