Hof Närrisches Helau aus dem Internet

Alisa Schrauth
Zur großen Überraschung des Bürgermeisters hat am Montag das Lippertsgrüner Prinzenpaar Lisa I. und Julian I. mit ihrer Tochter das Nailaer Rathaus gestürmt und nahm dem Stadtoberhaupt Frank Stumpf die Stadtkasse weg. Auch den Schlüssel rückte er heraus. Foto/Text: Michael Spindler Quelle: Unbekannt

Am Mittwoch beginnt die fünfte Jahreszeit. Die Narren müssen dieses Jahr aber besonders flexibel sein. Das schreckt die Karnevalisten nicht ab: Sie planen einfach auf neuen Kanälen.

 
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Hof/Töpen/Bad Steben - Veranstaltungen auf Rathausplätzen oder Umzüge in den Straßen werden die Narren und Fans des Karnevals heuer voraussichtlich nicht erleben. Wegen der Pandemie sind größere Events verboten. Die Narren in der Region lassen sich aber trotzdem nicht komplett davon abhalten, ihr Brauchtum zu pflegen - und organisieren Alternativen.

Blick in die Geschichte

Die aktuelle Pandemie stellt das Narrentreiben auf den Kopf - das passiert jedoch nicht zum ersten Mal. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sogar komplette Absagen über mehrere Jahre dem Karneval nichts anhaben konnten. Katrin Hesse, Leiterin des Fastnachtmuseums in Kitzingen, erklärt: "1915 war Karneval fast überall abgesagt, und zwar aus Kriegsgründen. Das Verbot hielt sich bis weit in die 1920er-Jahre." Dadurch war lange niemandem nach Karneval zumute, zumal die spanische Grippe wütete.

1991 wurde der Karneval wieder verboten; dann wegen des Golfkrieges. Doch auch dieses Verbot hat der Karneval überlebt. Wie jede Krise hatte auch diese einen Vorteil: Aus der Not heraus entstanden Fernsehübertragungen der Umzüge. Denn die Narren wehrten sich irgendwann gegen das Verbot, sagt Werner Mezger, der Rottweiler Fastnachtsexperte. Die Übertragungen kamen beim Publikum so gut an, dass sie nicht mehr aus dem Karneval wegzudenken sind.

Die Vereine bemühten sich um "Variationen" - so drückt es Marco Anderlik, Präsident des Fastnacht-Verbands Franken, aus. "Der positive Wille ist schon da." Die Vereine würden sich um ihre Mitglieder kümmern und das Brauchtum der Fastnacht werde nicht verloren gehen.

Die Vereine haben Tänze und Stücke einstudiert und die wollen sie präsentieren. "Manche Vereine verbreiten Youtube-Videos oder nehmen ihre Nummern auf DVD auf", erklärt Anderlik.

Veranstaltungen im öffentlichen Raum - auf Rathausplätzen etwa - seien in diesem Jahr nicht möglich. "Hier sind Ideen gefragt und wir müssen verantwortungsbewusst handeln", sagt Anderlik.

Der Bund Deutscher Karneval hat beschlossen, seine Sessionseröffnung am 11.11. digital abzuhalten. In seiner Pressemitteilung beschreibt der BDK die aktuelle Pandemie als "große Belastung für Vereine und Verbände". Die diesjährige außergewöhnliche Session wird auch mit einem BDK-Song untermalt, der die aktuelle Situation der Narren witzig pointiert.

Der Bad Kissinger Kabarettist Michl Müller schrieb das Lied "Die längste Polonäse auf der Welt", in dem er Abstandsregelungen aufs Korn nahm.

Der BDK schreibt, er möchte den Menschen "etwas schenken" - nämlich das "besondere Gefühl der Lebensfreude und der Gemeinschaft". Mit diesen dramatischen Worten versucht er von oben, die Mitglieder zu motivieren. Ob das gelingt?

Michael Brendel von der Karnevalsgemeinschaft Bad Steben zeigt sich jedenfalls positiv. "Alle Sitzungen sind abgesagt, aber es wird Alternativen geben." Der Präsident des Vereins steht hinter den Absagen, die im September entschieden wurden. Das sei die richtige Entscheidung gewesen. Gerade könne man einfach nichts planen und müsse "von der Hand in den Mund leben".

Die Planungen für Januar laufen trotzdem auf Hochtouren. "Wir haben viele Ideen - wir verlegen das Ganze einfach in den digitalen Raum", sagt Brendel. Insbesondere in den sozialen Medien wolle der Verein seine Ideen präsentieren. Sie seien dabei, Ideen zu finden und alles könne sich ändern. Momentan sei eine Art "Hintergrundberichterstattung" geplant. "Die Menschen kennen die Bühne im Karneval nur von vorne - wir wollen dieses Jahr zeigen, was sich hinter den Kulissen abspielt", erzählt Brendel.

Der Verein scheint mit seiner Online-Strategie nicht ganz auf dem Holzweg zu sein; sie hätten dieses Jahr schon vier neue Mitglieder gewinnen können, während andere über Mitgliederschwund klagen. "Wir machen insbesondere viel für die Kinder, das scheint anzukommen", sagt Brendel.

Geplant sei auch, die Trainer des Vereins und die Aufgaben des Präsidenten auf digitalem Weg vorzustellen. "Wer bin ich und was mache ich?" - das sei sicherlich auch für die Menschen interessant. Neben der Mitgliederbetreuung sei die Planung die größte Herausforderung.

Auch in Lippertsgrün setzten die Narren auf digitale Präsenz: "Wir werden Videosequenzen auf unseren sozialen Kanälen und unserer Homepage veröffentlichen. Alle Veranstaltungen vor Ort haben wir abgesagt", sagt Markus Franz, Präsident der TUS Lippertsgrün. Die Übernahme der Stadtkasse war die einzige Veranstaltung. "Da haben wir schon gemerkt, wie es langsam anfing zu kribbeln. Wir sind motiviert, ein paar kleinere Aktionen digital zu starten", sagt der Präsident. Man müsse eben kurzfristig planen.

Beate Stock von der Hofer Karnevalgesellschaft Narhalla sieht das genauso: "Wir wissen nicht, wie die Situation im Januar aussieht", sagt sie. Gerade habe sie wenig Hoffnung, dass sich bis dahin viel ändert. Deshalb gebe es bei der Narhalla dieses Jahr keinen Karneval, wie man ihn kennt. "Wir haben aktuell alles abgesagt", sagt sie. Von digitalen Alternativen halte sie wenig: "Der Funke springt dort nicht über." Sie setzten im Verein auf digitale Kommunikationswege, wenn es um die Betreuung der Kinder in den Tanztrainings geht. "Wir haben sehr kreative Trainer, die die Kinder online bei Laune halten." Trotzdem sei die Situation traurig und sie hoffe, dass wenigstens die kommende Session annähernd normal stattfinden könne. "Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt."

Die Karnevalsgesellschaft Töpen stellt den Nachwuchs in den Mittelpunkt. "Für die Kinder tut es mir im Herzen weh", sagt Präsidentin Christine Zenkel. "Doch wir bleiben positiv - das macht die Narren schließlich auch aus."

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