Hof Sechs Mal ein neues Leben

Von
Maike Popp, Benjamin Reingruber und Lothar Gaube (hinten von links) haben sich im Helmbrechtser Rathaus typisieren lassen und jetzt Stammzellen gespendet. Dank seines genetischen Zwillings aus den USA ist Leonard (unten) wieder voller Energie und kann mit Bruder Lukas Quatsch machen. Foto: Sebert

Großer Empfang für einen kleinen Jungen: Die Stadt Helmbrechts hat Leonard ins Rathaus eingeladen, um seine Genesung zu feiern. Drei Lebensretter erzählen von ihrer Spende.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Helmbrechts - Wenn Leonard und sein Bruder Lukas durch den Sitzungssaal fegen, Fangen spielen und laut kreischen, stört das an diesem Abend niemanden. Im Gegenteil: Alle Gäste freuen sich - gerade weil die Jungs lebhaft sind. Bei der ersten Pressekonferenz im Rathaus fehlte diese Fröhlichkeit gänzlich. Da baten von Angst gezeichnete Eltern die Öffentlichkeit um Hilfe, um Spenden, um Blutproben. Das war im Februar. Da schien der genetische Zwilling, der den krebskranken Jungen retten könnte, in weiter Ferne. Da hätte niemand zu hoffen gewagt, dass es neun Monate später dieses Wiedersehen geben würde - mit einem gesunden Leonard und drei von bislang fünf Lebensrettern, die aus der Typisierung hervorgegangen sind.

Bürgermeister Stefan Pöhlmann spricht am Montagabend von einem "wunderbaren Termin". Der oft gebrauchte Satz vom "erfolgreichen Verlauf der Aktion" erscheint ihm zu schwach, für das, was Helmbrechts wegen und mit Leonard erlebt hat. "Ich würde es als große Gnade bezeichnen, dass nicht nur der Junge einen Spender gefunden hat, sondern noch fünf weitere Menschen." Die Typisierung sei für Helmbrechts zum glücklichsten Ereignis des Jahres geworden. Dafür dankte er allen, die am 22. März in den Bürgersaal gekommen sind - und natürlich dem Helferteam um Sven Sibber und Sabine Hoffmann. "Ihr wolltet das Schicksal des Jungen nicht akzeptieren, sondern etwas dagegen tun."

Matthias Vogel, Leonards Vater, stimmt in den Dank ein. Die Familie habe nach der schrecklichen Diagnose überlegt, wie man eine Typisierung auf die Beine stellen könnte. "Aber wir hätten es niemals geschafft. Eure Hilfe hat uns so viel Kraft gegeben." Erst im Nachhinein sei ihm das Ausmaß des Ganzen bewusst geworden. "Leute haben sogar Kaffeemaschinen aus Ingolstadt hergefahren - unglaublich, was da für eine Energie drinsteckte." Auch Sven Sibber und das Helferteam werden den 22. März nicht vergessen. "Die Aktion war der Wahnsinn." Sibber erinnert an den Anblick, wie die Menschen bei "Sauwetter" in der Schlange ausharrten - ohne Beschwerden, ohne umzukehren. "Das schönste Geschenk für uns ist es, Leonard heute hier zu sehen."

Wie mehrfach berichtet, hat ein Mann aus den USA Stammzellen für Leonard gespendet, die ihm am 28. Mai transplantiert wurden. Mutter Simone erzählt nun von der - hoffentlich - letzten Punktion, die der Siebenjährige im November über sich ergehen lassen musste. "Darauf hat er sich richtig gefreut und immer gesagt: Nur noch ein Mal in den Rücken piksen, nur noch ein Mal!" Das Ergebnis dieser Knochenmarksuntersuchung stehe allerdings noch aus. "Aber Sie sehen ja: Wir haben hier zwei sehr aufgeweckte Jungs", sagt die Mutter schmunzelnd mit Blick auf ihre spielenden Kinder. Die lassen sich erst unterbrechen, als der Bürgermeister ein Geschenk überreicht: Leonard darf mit seiner Familie das Fußballspiel Deutschland gegen Italien anschauen. "Da ziehe ich mein Trikot von Manuel Neuer an", ruft er begeistert. Das handsignierte Shirt hatte der Hofer Postsportverein für den Jungen organisiert.

Keine Tickets, dafür Armbanduhren überreicht der Bürgermeister drei Lebensrettern, die an diesem Abend ins Rathaus gekommen sind: Maike Popp aus Enchenreuth, Lothar Gaube aus Marxgrün und Benjamin Reingruber aus Münchberg. "Man hat im Leben nur wenig Chancen, für einen anderen Menschen so etwas zu tun und wirklich etwas zu verändern", findet Benjamin Reingruber. Der 21-Jährige hat deshalb nicht gezögert, als er den Aufruf zur Typisierung entdeckte. "Für die Betroffenen geht es ja wirklich um was, und für einen selbst ist es keine große Sache, auch wenn man Knochenmark aus dem Becken spenden müsste. Es steht in keiner Relation zu dem, was man bewegt." Bei Benjamin Reingruber genügte jedoch eine Blutentnahme, zu der er im Oktober nach Dresden gefahren ist. Die Stammzellen bekam eine 38-Jährige Frau aus Frankreich. Ebenfalls für eine Französin spendete Maike Popp und hat die Nacht vorher schlecht geschlafen. "Weil ich panische Angst vor Spritzen habe." Deshalb sei schon der Termin im Bürgersaal für sie eine Überwindung gewesen. "Aber meine kleine Cousine ist genauso alt wie Leonard", begründet die Rechtsanwaltsfachangestellte ihren Entschluss, sich typisieren zu lassen. Vor der Spende musste sie sich vier Tage lang selbst spritzen, damit der Körper Stammzellen bildet. Kontakt zu "ihren" Patienten können Maike Popp und Benjamin Reingruber auch nach der Sperrzeit nicht aufnehmen. Das verbietet das französische Datenschutzgesetz. "Schade, aber nicht ausschlaggebend. Das Wichtigste ist, dass man jemandem das Leben retten konnte", findet Benjamin Reingruber.

Lothar Gaube würde ebenfalls wieder spenden. Seine Stammzellen bekam eine 51-jährige Österreicherin. Wenn die Sperrzeit endet, kann der Industriemeister mit ihr Kontakt aufnehmen. Doch zwei Jahre lang läuft der Briefwechsel anonym, damit der Erkrankte dem Spender nicht sympathisch oder unsympathisch werden kann. Schließlich könnte eine weitere Transplantation nötig sein.

Genauso ist Leonards Spender aus den USA zwei Jahre lang für den Jungen "reserviert" - auch wenn natürlich alle hoffen, dass man seine Hilfe nie wieder brauchen wird.

Man hat im Leben nur wenig Chancen, für einen anderen Menschen so etwas zu tun.

Spender Benjamin Reingruber

Sehr viele Spenden

Die Spendenbereitschaft für die Leonard-Aktion lobt die DKMS als sehr groß. Auch die Frankenpost hatte zum Spenden aufgerufen. 155 000 Euro kamen zusammen. Sollten noch 5000 Euro eingehen, wären die Kosten gedeckt. IBAN: DE 39 7806 0896 0003 2182 36; BIC: GENODEF1HO1.

Autor

Bilder