Hof Wir wollen zu viel

Sandra Langer
Raus aus der "Zuvielisation": Volker Busch. Foto: pr

Deutsche sind zu schnell. Der Neurowissenschaftler Volker Busch wirbt im Online-Vortrag der Frankenpost dafür, der Alltagshatz zu entfliehen.

 
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Hof - Deutschland gehört zu den schnellsten Ländern der Welt. Wie das gemessen wird, und wie es Psyche und Wohlergehen der Menschen beeinflusst, erklärte der Neurowissenschaftler und Psychologe Professor Dr. Volker Busch auf Einladung unserer Zeitung in seinem Online-Vortrag "Nicht die Zeit rennt, sondern wir - die Kunst, im richtigen Tempo zu leben."

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Unter dem Motto "Forum Wissen" präsentiert die Frankenpost Online-Vorträge bekannter Referenten. Die nächsten Redner der Reihe sind der Kommunikationsprofi René Borbonus mit "Die Kraft der Rhetorik" am Dienstag, 22. September, und der Gedächtnistrainer Markus Hofmann mit "In jedem Kopf steckt ein Superhirn!" am Dienstag, 20. Oktober. Die Vorträge beginnen jeweils um 18.30 Uhr und dauern ungefähr eine Stunde; per Chat-Funktion können die Zuschauer den Referenten Fragen stellen. Die Kursgebühr beträgt 19,90 Euro; weitere Informationen und Anmeldung finden sich unter

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www.frankenpost.de


Wissenschaftler ermitteln regelmäßig das Lebenstempo verschiedenster Länder. Unzählige Faktoren fließen in diese Bewertung ein, zum Beispiel wie schnell die Menschen arbeiten, sprechen, telefonieren oder gehen. Das Ergebnis: In allen Industrienationen ist die Geschwindigkeit hoch, Tendenz steigend. Das hat Einfluss auf den menschlichen Körper: "Eine hohe Geschwindigkeit vermittelt dem Gehirn, es gäbe Anlass zur Flucht", erklärte der Experte. Im Körper komme daraufhin eine Stresskaskade in Gang. "Da macht es wenig Unterschied, ob man, wie in alten Tagen, vor dem Säbelzahntiger davonrennt, oder dem verpassten Bus hinterher."

Busch ist nicht umsonst ein gefragter Redner und Trainer. Er kombiniert Erfahrungen aus der psychologischen Beratung seiner Patienten mit Erkenntnissen aus seiner Forschung, präsentiert sie mit viel Humor in verständlicher Sprache und liefert seinen Zuhörern konkrete, praktische Tipps für den Alltag.

Als einen der größten Beschleuniger in unserem Alltag macht Busch die "Zuvielisation" aus: "Wir wollen zu viel." Von der Berufswahl über den abendlichen Fernsehkonsum bis hin zur Wahl des Frühstücksmüslis stehe jedem Menschen eine Unmenge an Möglichkeiten offen. Man wolle nichts verpassen, alles mitnehmen - und natürlich überall das Beste herausholen. Busch rät zum Loslassen: "Überlegen Sie sich, was wirklich sein muss, und was Sie von der To-Do-Liste streichen können."

Busch warnt außerdem davor, zu weit in die Zukunft zu denken und zu planen. "In vielen Fällen lohnt das nicht, weil die Zukunft sich ohnehin ganz anders entwickelt, als wir glauben." Studien belegen: 50 Prozent seiner Wachzeit verbringt der Mensch gedanklich nicht im Hier und Jetzt, sondern teilweise in der Vergangenheit und häufig in der Zukunft. "Wir haben dadurch verlernt, ganz in die Dinge einzutauchen", erklärt Busch. "Das führt zu einer geringeren Genusstiefe." Um den Fokus zurückzugewinnen und das Jetzt wieder bewusst zu gestalten, helfe die Frage: "Was ist aktuell wichtig und wertvoll?" Der Wissenschaftler ermutigte die Zuhörer zu einem Experiment, das er mit seiner Familie schon oft praktiziert hat: Am Sonntag werden alle Wanduhren abgehängt, Armbanduhren versteckt und die digitale Ofen-Uhr abgeklebt. Allein der persönliche Rhythmus bestimmt, was wann gemacht wird: Essen, wenn man Hunger hat. Rausgehen, wenn einem danach ist. Schlafen, wenn man müde ist.

In Harmonie mit den eigenen Rhythmen zu leben und regelmäßig für Freizeit und Muße zu sorgen, aktiviere Ruhenetzwerke im Gehirn, die für die Stressbewältigung wichtig seien. Dem hohen Lebenstempo kann man an vielen Stellen nicht entkommen. "Aber man sollte regelmäßig von der Überholspur auf den Standstreifen wechseln, um den eigenen Rhythmus wieder zu finden."

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