"Wir wollen so viel bewegen – warum nicht zuerst uns selbst?" Diese Frage ist für Christen in Mitteldeutschland gleichsam als Aufruf zu verstehen. Parallel zum "großen" Kirchentag in Berlin gibt es sechs regionale "Kirchentage auf dem Weg" in acht Städten Thüringens, Sachsens, und Sachsen-Anhalts, nämlich in Erfurt, Jena/Weimar, Leipzig, Magdeburg, Dessau-Roßlau und Halle/Eisleben. In den Kernlanden der Reformation feiern die Städte das historische Ereignis der Thesenveröffentlichung mit eigenen thematischen und kulturellen Schwerpunkten.
Zum Auftakt verbindet an Christi Himmelfahrt ein zeitgleich stattfindender ökumenischer Gottesdienst die Städte der Kirchentage auf dem Weg untereinander und mit dem Kirchentag in Berlin. Am Sonntag sollen dann auch die Teilnehmer der Kirchentage auf dem Weg beim großen Festgottesdienst vor den Toren Wittenbergs eintreffen und sich mit den zehntausenden Christen vereinen, die aus Berlin in die Lutherstadt an der Elbe kommen.
Die Kirchentage auf dem Weg beziehen sich explizit auf die regionalen Kirchentage im Lutherjahr 1983, als auch in der
DDR ausführlich an Martin Luthers 500. Geburtstag erinnert wurde. Damals fanden unter der Überschrift "Vertrauen wagen" Kirchentage in Erfurt, Eisleben, Frankfurt (Oder), Magdeburg, Rostock und Wittenberg statt – eine in der DDR einmalige Aktion von evangelischen Christen in verschiedenen Bezirken. Seit 1962 gab es Kirchentage auch in der DDR, die allerdings von Staat und Partei kritisch und misstrauisch beäugt wurden.
Wer sich im Arbeiter- und Bauernstaat offen zu seinem Glauben bekannte, hatte oft mit Einschränkungen, bisweilen mit Repressionen zu rechnen. Die Teilnahme an der Konfirmation anstelle der staatlich gewünschten Jugendweihe hatte meist zur Folge, dass Jugendliche später in ihrem Berufswunsch behindert oder nicht zum Abitur zugelassen wurden. Insofern war auch der Besuch regionaler Kirchtage immer mit dem Wagnis verbunden, dass die Staatssicherheit entsprechende Berichte anfertigte. Wegen dieser politischen Zwänge, aber auch aus logistischen Gründen gab es in DDR nie einen landesweiten Kirchentag.
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