Kulmbach Ach du dicke Backe!

Alle brauchen ihn, aber nur wenige gehen gerne zu ihm: zum Zahnarzt. Dr. Peter Bastobbe erklärt, was Arzt und Patient tun können, damit die Angst sinkt und das Vertrauen wächst.

 
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Kulmbach/Mainleus - Grelles Surren. Der Bohrer kommt näher. "Weit aufmachen." Im linken Mundwinkel schlürft der Sauger den Speichel. Das Surren wird immer lauter. Gleich erreicht die Bohrerspitze den Zahn.

Alleine die Vorstellung treibt vielen Menschen den Angstschweiß aus den Drüsen. "Das Angstpotential ist sehr hoch", sagt der Mainleuser Zahnarzt Dr. Peter Bastobbe. Etwa 80 Prozent aller Menschen hätten Angst vor dem Zahnarzt, berichtet der Zahnmediziner. "Ein sehr hoher Prozentsatz geht aufgrund der Angst überhaupt nicht regelmäßig zum Zahnarzt."

Dass das keine Lösung ist, leuchtet wohl den meisten ein. Doch wie mit den Ängsten umgehen? Zum Tag der Zahnschmerzen verrät Bastobbe, was der Patient und der Zahnarzt tun können, damit die Angst abnimmt.

Dem Zahnarzt vertrauen können

"Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, dass ein Zahnarztbesuch einen Eingriff in das Intime mit sich bringt. Ein Mensch geht sozusagen ins Innere eines anderen Menschen. Das bedeutet: Die Patienten schenken dem Arzt viel Vertrauen", sagt Bastobbe. Gegenseitiges Vertrauen könne sich dann entwickeln, wenn sich Menschen öfter begegnen. "Ein Kind vertraut am meisten seinen Eltern, weil es die Personen sind, mit denen es am häufigsten in Kontakt ist. Je öfter ich als Zahnarzt jemanden behandele, desto eher kann sich Vertrauen entwickeln." Damit verknüpft sei die Angst: "In dem Maße, in dem sich Vertrauen aufbaut, baut sich die Angst ab", schildert der Mainleuser. Wer also seine Angst reduzieren möchte, sollte sich einen Zahnarzt seines Vertrauens suchen. Bastobbe weiß aus Erfahrung, wie wichtig den Patienten dieser Aspekt ist: "Ich hab einen Patienten aus Wunsiedel und sogar einen aus München, der extra für den Zahnarztbesuch nach Mainleus kommt."

Vermeiden steigert die Angst

"Menschen, die grundsätzlich nicht zum Zahnarzt gehen, weil sie Angst haben, gehen erst dann, wenn sie die Schmerzen nicht mehr aushalten können", sagt Bastobbe. Gerade solch ein Zahnarztbesuch sei mit Stress verbunden, weil dann die Behandlung eventuell Schmerzen verursacht. Der Patient verknüpfe dann zukünftig einen Zahnarztbesuch umso mehr mit Schmerzen. Das steigere wiederum die Angst, erläutert der Zahnmediziner.

Wer dagegen regelmäßig zum Zahnarzt gehe, könne erfahren, dass Zahnarztbesuche auch schmerzfrei ablaufen können. Ergo: Nicht dem Zahnarzttermin ausweichen, sondern regelmäßig zur Kontrolle gehen. Bastobbe stellt klar: "Um die entsprechenden Boni der gesetzlichen Krankenkassen zu erhalten, muss man einmal im Jahr zum Zahnarzt, Kindern empfehle ich zweimal im Jahr zu gehen. Auch wenn ein Erwachsener viele Füllungen oder Zahnersatz hat, sollte er zweimal kommen."

Ablenken hilft

"Vor einer Operation sage ich Kindern beispielsweise: 'Denk doch mal daran, wohin du als nächstes in den Urlaub fährst.' Ältere können dann vielleicht an die neue Freundin denken", veranschaulicht Bastobbe. Wichtig seien die positiv verknüpften Vorstellungen.

Mit kleinen Schritten den Ängsten beikommen

Wer große Ängste hat, könne zunächst mit dem Zahnarzt einen Beratungstermin vereinbaren. "Bevor ich mit der Behandlung beginne, spreche ich mit dem Patienten erst einmal über seine Ängste. Wovor hat er überhaupt Angst? Vor den Schmerzen, vor dem Ausgeliefertsein, vor den Geräuschen? Es gibt auch Menschen, die haben Angst vor dem Würgereiz. Sie verschlucken sich häufig." Dementsprechend könne der Zahnmediziner Handlungsmöglichkeiten vorschlagen. "Wer zum Beispiel Angst vor den Geräuschen hat, der kann während der Behandlung über Kopfhörer Musik hören. Gegen den Würgereiz gibt es ein Betäubungsspray." Solch ein Gespräch könne dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen, erklärt Bastobbe.

"Wenn ein Patient länger nicht beim Zahnarzt war und er mehrere Behandlungen braucht, fang ich nicht gleich mit der größten Ruine an - insofern ich es medizinisch verantworten kann", sagt Bastobbe. Er ergänzt: "Grundsätzlich beginne ich die Behandlung mit einem kleineren Eingriff, damit der Patient erlebt: Das Ganze ist machbar." Das schaffe wiederum Vertrauen.

Bei Karies "Ja" zur Spritze sagen

"Gebe ich einem Patienten eine Spritze, hat er bei der Behandlung keine Schmerzen. Er ist entspannter und hat dadurch auch weniger Angst", erläutert Bastobbe. Auch aus zahnmedizinischer Sicht befürwortet der Dentalspezialist den Einsatz der Nadel. "Durch die Anästhesie ist die Pulpa, vereinfacht gesagt der Zahnnerv, weniger reaktiv, weniger gestresst. Ich kann den Patienten dann besser behandeln", erklärt der Zahnarzt. Er ergänzt: "Es gibt aber auch die Leute, die Angst vor Spritzen haben. Dann ist die Situation natürlich eine andere."

Ein Zahnarzt sollte sagen, was er vor hat

"Es gibt sie auch: die Patienten, die nichts wissen wollen", sagt Bastobbe. Diejenigen, die Angst haben, wollten aber unbedingt erfahren, was als nächstes bei ihnen im Mund passiert. "Ich mache den Leuten vorher klar, was passieren könnte, etwa: 'Sie müssen damit rechnen, dass es gleich hinten am Zahn rumpelt.' Dann kann sich der Patient darauf einstellen. Ich kann nicht sagen: 'Es tut nicht weh.' Wenn der Patient dann doch Schmerzen hat, hab ich das Vertrauen zerstört", erläutert Bastobbe.

Wichtig sei zudem, verschiedene Handlungsoptionen aufzuzeigen. "Ich sage dem Patienten zum Beispiel: 'Wenn Sie gleich während der Behandlung noch Schmerzen spüren sollten, dann spritzen wir nochmal nach. Als Signal vereinbaren wir ein Handzeichen", erklärt der Mainleuser Zahnarzt. Das könne gerade bei Angstpatienten vorkommen, da sie laut Bastobbe den Schmerz deutlicher spüren, sich auf ihn fixieren.

Lachgas, Schmerzmittel, Narkose

"Meine Frau, die auch Zahnärztin ist, setzt Lachgas ein. Bei sehr ängstlichen Patienten durchaus eine Methode, um den Schmerz zu reduzieren. Die Leute sind entspannter", sagt Bastobbe. Allerdings ersetze das Lachgas nicht die Spritze. Die sei weiterhin nötig. Die Wirkung des Lachgases halte etwa eine halbe bis eine dreiviertel Stunde an.

Bei Operationen könne man hin und wieder Schmerzmittel einsetzen. Bastobbe stellt aber klar: "Der Einsatz von Schmerzmitteln ist kein Standard. Denn Schmerzmittel haben halt auch Nebenwirkungen." Bei größeren, speziellen operativen Eingriffen könne eine Narkose erfolgen. "Das ist aber nur in Ausnahmefällen wie etwa einem Kieferbruch angebracht."

Ein flaues Gefühl ist normal

Bastobbe stellt klar, dass er nur ganz wenige Menschen kennt, die bei einem Zahnarztbesuch völlig entspannt sind. Ein gewisses Unwohlsein ist also völlig normal.

Zahnschmerzen führten einst zum Tod

"Im Mittelalter waren Entzündungen des Zahnnervs eine der häufigsten Todesursachen", erklärt Bastobbe. Wir können uns also glücklich schätzen, in einer Zeit mit Zahnärzten zu leben. Auch wenn wir ihnen wohl lieber in der Stadt beim Einkaufen begegnen, als auf dem berühmten Stuhl in der Praxis.

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