"Wir sehen, dass Wirtshäuser dicht machen", sagt Norbert Heimbeck im Gespräch mit der Frankenpost. "Aber wir wissen nicht, wie dramatisch die Situation ist." Er hofft, dass sich die Kulturgeographie-Studenten für das Thema begeistern und mit ihrer Hilfe bald belastbare Zahlen vorliegen werden.
Zentrale Ankerpunkte: Das große Ziel sei es, den Dörfern ihre Wirtshäuser als zentrale Ankerpunkte zu erhalten, betont Heimbeck. "Wir müssen etwas tun. Wenn sie sterben, geht ein Stück sozialer Zusammenhalt verloren."
Jetzt im Sommer, während der vorlesungsfreien Zeit, sollen die weiteren Details des Forschungsprojektes erarbeitet werden. Die Studierenden können selbst entscheiden, wie ihre Ziele aussehen und welche Aspekte der oberfränkischen Wirtshauskultur in ihren Untersuchungen eine Rolle spielen. Zum Start des Wintersemesters im Oktober geht es dann richtig los. Das Projekt trägt den Arbeitstitel "Entwicklung der Dorfwirtshäuser in Oberfranken."
Das Sterben in den Dörfern: Ob sich die Arbeiten schwerpunktmäßig auf den Landkreis Kulmbach oder auf den ganzen Regierungsbezirk beziehen, ist noch nicht entschieden. Für die Marktgemeinde Thurnau hat Veit Pöhlmann bereits Vorarbeit geleistet. Der FDP-Kreisrat ist Inhaber der Pöhlmannschen Gastwirtschaft im Ortsteil Limmersdorf. Innerhalb der vergangen 40 Jahre sei in 14 Dörfern rund um Thurnau ein großes Wirtshaussterben eingetreten, sagt er. Von ehemals 15 Gaststätten seien bis heute gerade einmal zwei übrig geblieben.
Professor Dr. Doris Schmied hat bereits vor dem Beginn des Projektes mehrere Interviews zu dem Thema geführt. Dabei kam unter anderem zur Sprache, dass die klassische Dorfgaststätte häufig in Konkurrenz steht mit Sportheimen oder Feuerwehrhäusern. In Orten, die kein eigenes Dorfhaus und keine andere Begegnungsstätte haben, sind Einwohner und Vereine oftmals darauf angewiesen, dass sie sich im Wirtshaus treffen können. Das zeige die verbindende Funktion, die die Einrichtung erfüllt.
Keine leichte Aufgabe: Vor den Studierenden liege keine leichte Aufgabe, sagt die Lehrstuhlinhaberin. "Ein Problem wird sein, an die Daten zu kommen." Die Gastronomie wird von mehreren unterschiedlichen Stellen betreut. Herauszufinden, welche Wirtschaften es gibt und welche es gegeben hat, könne schwierig werden.
Das Seminar will auch praktische Ansätze verfolgen. "Wenn uns genügend Zeit bleibt, dann könnten wir ein App erstellen", sagt Doris Schmied. In der Smartphone-Anwendung würde der Nutzer erfahren, welche Gaststätten zu welcher Zeit geöffnet haben und wie das Speiseangebot aussieht. Erste Ergebnisse des Studienprojektes sollen im Januar vorliegen.
Nachfolger gesucht: Landrat Klaus Peter Söllner äußerte in der jüngsten Sitzung des Kulmbacher Wirtschafts- und Kulturausschusses sein Bedauern, dass mit vielen Wirtshäusern ein Stück Kulturgut verloren gegangen ist. In zahlreichen Fällen sei das Problem, dass sich einfach kein Nachfolger findet, der den Betrieb weiterführen will. Personalmangel sei nur eine der Schwierigkeiten, mit denen Wirte zu kämpfen haben.
Der Kulmbacher Kreistag hofft auf Vorschläge, mit welchen Konzepten dem Wirtshaussterben begegnet werden kann. Zuletzt sind diverse Förderprogramme, unter anderem von der bayerischen Staatsregierung, ins Leben gerufen worden. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat ein Programm für Gaststättenmodernisierungen aufgelegt. Nur wenige Minuten nach dem Start Mitte Mai dieses Jahres musste das Online-Portal wieder geschlossen werden. Der finanzielle Rahmen von 30 Millionen Euro war wegen der großen Nachfrage sofort ausgeschöpft. In der ersten Förderrunde sind oberfrankenweit 15 Antragsteller zum Zuge gekommen, teilt das Landratsamt mit.