Kulmbach Der Campus als Herkulesaufgabe

Zwischen Bahnhof, Güterbahnhof und ehemaligem Spinnereigelände soll der neue Campus Kulmbach entwickelt werden. Foto: Stadt Kulmbach

Bis zur Uni-Stadt hat Kulmbach noch einen langen Weg vor sich. Dies betrifft vor allem die Räumlichkeiten. Bei einer Diskussion beschwören Forscher, Politiker und die Wirtschaft Einigkeit.

 
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Kulmbach - Zusammenhalten und nicht locker lassen: Nur gemeinsam kann das Zukunftsprojekt Campus Kulmbach zum Erfolg werden. Dieser Appell geht von der Universität Bayreuth und dem Demografiezentrum Oberfranken aus, die am Donnerstag zu einer virtuellen Diskussionsrunde über das Internet eingeladen hatten. Die Initiative des Vereins Oberfranken Offensiv erreichte 10 000 Menschen an den Bildschirmen und über Facebook.

Die Pläne: Die Universität Bayreuth gründete im Jahr 2019 ihre siebte Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit am Außenstandort Kulmbach. Der erste Masterstudiengang in englischer Sprache "Food Quality and Safety" soll im November zum Wintersemester 2020/21 starten. Ein Bachelor "Lebensmittel und Gesundheitswissenschaften" soll folgen.

Gründungsdekan Stephan Clemens sprach von "Vorfreude" und zugleich "nervöser Anspannung" im Hinblick auf die hohen Erwartungen, die mit dem Vorhaben verbunden sind. "Wir haben acht Professuren ausgeschrieben, zwei sind schon da." Die große Resonanz auf die Stellenausschreibungen von hervorragenden Wissenschaftlern sei erfreulich. Genauso seien die Bewerbungen für die Studienplätze in Kulmbach vielversprechend. Bis 2023 sollen 300 Studenten in Kulmbach sein. "Was uns noch fehlt, ist die Infrastruktur - Seminarräume, Hörsäle, eine Bibliothek, Büros und Labors." Daran arbeite sein Team mit Hochdruck. "Der Aufbau ist ein Marathonlauf", sagt Clemens. Stadt, Landkreis und Regierung seien ein "gut eingespieltes Team". Die Region werde Modell für einen weitreichenden Transformationsprozess.

Universitätspräsident Stefan Leible war aus terminlichen Gründen verhindert und wurde für ein Statement zugeschaltet. Er sieht in dem Vorhaben "eine einzigartige Möglichkeit" im Verbund mit den Lebensmittelbetrieben und Lebensmitteleinrichtungen in Kulmbach gemeinsam "Spitzenforschung" mit internationaler Strahlkraft zu etablieren. Vizepräsident Thomas Scheibel freut sich auf die neuen Professoren "aus aller Welt mit höchster Qualität". Der Campus Kulmbach sei eine Riesenchance und beginne mit einem neuartigen Konzept, das die Profile der bestehenden Bayreuther Fakultäten berücksichtige.

Die Situation: Die Universität nutzt Räume in der ehemaligen Hornschuch-Villa in Kulmbach. In den Gebäuden der ehemaligen Kulmbacher Spinnerei in unmittelbarer Nachbarschaft könnte die Uni vorübergehend unterkommen. "Bei uns rennt die Uni offene Türen ein", sagte Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD), der selbst in Bayreuth studierte. In Kulmbach herrsche bei manchen Bürgern die Angst, dass es wegen der Studenten bald keinen bezahlbaren Wohnraum mehr geben werde. "Der neugewählte Stadtrat wird versuchen, für die Studierenden und die Menschen, die schon in Kulmbach wohnen, Wohnraum zu schaffen." Die Stadt werde alles tun, damit sich die Studenten wohlfühlen und die Uni nach Kräften unterstützen.

Lehmann warf ein: "Wir müssen mit der Kulmbacher Brauerei zusammenarbeiten." Deren Grundstück am alten Güterbahnhof ist der Favorit für die Neuansiedlung des Ernährungscampus. "Ich gehe davon aus, dass sie Interesse daran haben, dass der Campus ein Erfolg wird." Auch die Landtagsabgeordneten sollten einbezogen werden, damit die nötigen Haushaltsmittel für den Campus bereit gestellt werden. "Eine Neugründung ist eine Herkulesaufgabe, die nicht einer alleine schafft, sondern die nur gemeinsam zu schaffen ist."

Sein Bayreuther Amtskollege Thomas Ebersberger (CSU) signalisiert in einer Videobotschaft Unterstützung. Die Lebensmitteltechnik sei in Kulmbach weit fortgeschritten. "Wir können uns dort einbringen wie sich Kulmbach auch bei uns einbringen kann. Wir sind eine Region. Wenn wir die Wirtschaftskraft stärken wollen, ist es besser, gemeinsam an einem Strang zu ziehen als gegeneinander zu arbeiten."

Die Unterstützer: Das Kulmbacher Vorhaben hat viele Förderer und Unterstützer, wie in der Diskussion mehrfach deutlich wurde. Ob in der oberfränkischen Wirtschaft, bei der Regierung von Oberfranken oder in Studentenkreisen.

Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz lobte die Strategie der Staatsregierung, die auf Dezentralisierung der wissenschaftlichen Einrichtungen setzt. "So können wir erstklassige Angebote für junge Leute in Oberfranken schaffen", sagte Piwernetz, zugleich Co-Vorsitzende von Oberfranken Offensiv. "Die Wirtschaft, das Handwerk und die Wissenschaft erleben eine starke Aufbruchstimmung." Auch in Kronach, Lichtenfels, Selb, Münchberg und Hof würden Hochschulangebote die Standorte nachhaltig verändern. Die Regierung von Oberfranken trage als koordinierende Behörde dazu bei, den Campus Kulmbach weiterzuentwickeln. Das bauliche Genehmigungsverfahren und der Geländeankauf liefen über die Projektsteuerungsgruppe der Regierung.

Der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner (FW) unterstrich, dass der Landkreis hinter dem Campus steht. Bei der Verkehrsanbindung über den ÖPNV, einem VGN-Anschluss, einem Radschnellweg, aber bei der Wohnraumfrage und den kulturellen Angeboten wirke der Landkreis mit. "Die Grundstücksfrage muss zum Abschluss gebracht werden", sagte Söllner, denn die Menschen wollten was sehen. "Eine Task Force wäre genau das richtige."

Michael Möschel, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des IHK-Gremiums Kulmbach, nannte den Campus "eine großartige Gelegenheit, die zu unserem Standort passt." Er setzte sich gern dafür ein Wissenschaft und Forschung mit der Wirtschaft und dem Handwerk zu vernetzen. Dafür bräuchte es ein Stadtmarketing, das die Universität einbezieht, eine bessere Verkehrsanbindung nach Bayreuth und einen Welcome Center für Studierende.

Ein Studentenvertreter, Alexander Thorneloe, betonte, wie wichtige diese Willkommenskultur für Neuankömmlinge sei. "Wir wollen Stammtische einrichten, damit sich eine Gemeinschaft bildet." Dabei werde das International Office miteinbezogen. Die Idee von Zuhörerin Marion Resch-Heckel, Patenschaften einzurichten, stieß in der Runde auf große Zustimmung.

Beispiel Straubing: Franz Prebeck ist Vorsitzender des Vereins zur Förderung von Wissenschaft und Forschung für das Kompetenzzentrum Nachhaltige Rohstoffe der Hochschule Straubing. Der Campus in Straubing ist ebenfalls eine Außenstelle und zwar der Technischen Universität München (TUM). Auch dort soll für bis zu 1000 Studierende ein Hochschulstudium angeboten werden. "Ein langer Weg" sei es gewesen, so Prebeck, die Münchner nach Straubing zu bringen. Nun seien die Straubinger stolz, dass das Ortsschild die Kommune als Universitätsstadt ausweise. "Unser Verein trägt zur breiten Akzeptanz des Vorhabens bei", sagt Prebeck. In dem Netzwerk seien Oberbürgermeister, Landrat, Abgeordnete, Vertreter aus Wirtschaft und Kultur und der Bürgerschaft. "Was brauchen Studenten, damit sie sich in Straubing wohlfühlen?" Die Ideen reichen von Stadtführungen über Stipendien bis zu einem Wissenschaftspreis.

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