Marienweiher Die Fast-Todsünde

Rainer Unger

Als das Kloster Marienweiher im Jahr 2007 für einen Euro verscherbelt werden sollte, kochte die Volksseele. So entstanden die "Klosterspitzen". Philipp Simon Goletz erinnert sich an eine stürmische Zeit.

 
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Marienweiher - Am morgigen Samstag wäre es mal wieder so weit gewesen: Die inzwischen elften Klosterspitzen wären - wie jedes Jahr an Mariä Himmelfahrt - auf dem Gelände vor dem Kloster Marienweiher mit verschiedenen Künstlern aus der Region über die Bühne gegangen. Aufgrund von Corona muss auch diese Veranstaltung wie unzählige andere ausfallen. Der Initiator der Veranstaltungsreihe, Philipp Simon Goletz, blickt zurück auf die Entstehungsgeschichte des weit und breit beliebten Open Airs, zu dem jährlich viele Hundert Menschen strömen.

"Es war im Jahr 2007, als die bayerische staatliche Immobilienverwaltung, der das Kloster gehört, überlegte, es zu verkaufen. Zwei Jahre später bot sie es dem Landkreis Kulmbach für einen Euro zum Verkauf an, was zu einem Aufschrei in der hiesigen Bevölkerung führte und eine Welle des Protestes auslöste", erinnert sich Philipp Simon Goletz. Der damalige Marktleugaster Bürgermeister Norbert Volk äußerte harsche Kritik an dem Vorhaben und brachte dies auch in einem Schreiben an den Finanzminister, in dem er seinen Unmut äußerte, deutlich zum Ausdruck. "Landtagsabgeordnete Inge Aures fragte damals, ob denn die CSU nicht mal mehr Halt vor dem Glauben an Gott und der Ehrfurcht der Menschen Halt mache", ruft sich Philipp Simon Goletz ins Gedächtnis zurück. Landrat Klaus Peter Söllner setzte sich ebenso ein, dass das Kloster nicht verkauft wird. Enoch zu Guttenberg nannte das Anbieten des Klosters für einen Euro eine "veritable Todsünde", fährt der Untersteinacher fort. Nach dessen Besuch im Finanzministerium distanzierte sich der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon augenblicklich von diesem Plan, der "in keiner Weise" mit ihm abgestimmt war, und tat kund, er habe den Prozess gestoppt, erzählt der Untersteinacher Liedermacher.

Zu den Leuten, die sich damals besonders aufregten, zählte der ehemalige Kulmbacher CSU-Bürgermeister Wolfgang Protzner. "Seine Äußerung ‚Diesen Idioten im Amt muss jemand ins Hirn geschissen haben‘ ging damals durch sämtliche Medien. Und er drohte damit, demjenigen, der sich das ausgedacht hat, eine reinzuhauen", lässt der Frankensima die damalige Protzner’sche Erregung Revue passieren. Nun, es kann wohl auch nur einem Bürokraten ohne jedes historisches Verständnis einfallen, eine geschichtsträchtige, Jahrhunderte alte Anlage für einen Euro "verscherbeln" zu wollen, bekräftigt Philipp Simon Goletz die Position Protzners. Zumal die dazugehörige Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung im Jahr 1993 von Papst Johannes Paul II. zur Basilika minor erhoben wurde. Nicht zuletzt würdigte das Kirchenoberhaupt damit die besondere Bedeutung, die dem Gotteshaus zukommt. In einer Posse und einem Gedicht auf das Geschehen, die Goletz bei den Klosterspitzen vortrug, äußerte er gar die Vermutung, in "München würden sich bis zu zehn Ministerialbedienstete ein Hirn teilen."

Überhaupt, die Klosterspitzen! Nun, wenn diese leidige Geschichte damals etwas Positives hatte, dann das, dass daraus die Klosterspitzen entstanden sind. "Wobei ich die Idee zu den Klosterspitzen schon länger hatte", gibt Philipp Simon Goletz zu. Inspiriert dazu hatten ihn die jährlichen Konzerte, die Ado Schlier beim Kloster Banz durchführte. Waren dort aber vorwiegend bekannte Stars zu Gast, stellte sich der Untersteinacher vor, so etwas könne auch mit traditioneller Volksmusik und Künstlern aus der Umgebung funktionieren. "Als dann auch noch das Gerücht aufkam, der Wolfgang Protzner soll verhaftet werden, ist bei mir der Groschen gefallen", denkt er zurück. Für ihn war es nun an der Zeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Mit Bürgermeister Norbert Volk und Landrat Klaus Peter Söllner setzte er sich im Klosterbräu zusammen und beide waren augenblicklich von seiner Idee begeistert, ein Konzert als Benefiz-Veranstaltung durchzuführen und den Erlös dem Förderverein des Klosters zukommen zu lassen. Damals fand das Open Air ja noch unterhalb des Klosters statt, wofür die Straße durch den Ort gesperrt werden musste. Und auch eine Bühne musste her. Aber alle Herausforderungen wurden gemeistert und bald fand das erste Klosterspitzen-Festival statt. Das Konzept, zum einen bekannte Künstler aus ganz Franken nach Marienweiher zu bringen, zum anderen aber auch unentdeckten Talenten eine Chance zu geben, ging auf. Wenn das Wetter passte, dann waren manchmal bis zu tausend Leute bei den Klosterspitzen. Dass das im nächsten Jahr wieder möglich ist, das wünscht sich Philipp Simon Goletz.

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