Kulmbach Durchgefallen: Kindersitzhersteller kündigt Lieferstopp an

Stefan Linß
Die Prüfpuppe fliegt mit dem Kindersitz nach vorne. Der Recaro-Sitz Optia erhält nach dem Crashtest die Note mangelhaft. Foto: Stiftung Warentest

Der ADAC und die Stiftung Warentest vergeben überwiegend gute Testnoten für Kindersitze. Doch ein Modell aus Marktleugast fällt mit Pauken und Trompeten durch.

 
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Marktleugast - Wenn die Ergebnisse der Crashtests veröffentlicht werden, wird es für den Kindersitzhersteller Recaro normalerweise ein freudiger Tag. Diesmal ist im Marktleugaster Ortsteil Mannsflur alles anders. Denn das Modell Optia erleidet Schiffbruch. Der Produzent stoppt bis auf Weiteres die Auslieferung.

Recaro reagiert

Die Recaro Child Safety GmbH hat nach der aktuellen Veröffentlichung der Stiftung Warentest und der Note mangelhaft für den Kindersitz Optia eine Ursachenforschung angekündigt. Hier die Erklärung im Wortlaut:

"Die von der Stiftung Warentest am 17. Juli 2017 kommunizierten Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Recaro Optia in Kombination mit der Recaro Smart-Click sind für uns im Moment nicht nachvollziehbar. Wir nehmen die Erkenntnisse allerdings sehr ernst.

Für Recaro hat die Sicherheit unserer Kunden höchste Priorität. Daher haben wir umgehend nach Erhalt der Information durch die Stiftung Warentest mit der systematischen Analyse des Testergebnisses begonnen.

Im Zuge dessen haben wir die Stiftung Warentest um die Übermittlung der zur Analyse relevanten Daten (Seriennummern, Produktmuster, Messdaten, etc.) gebeten, um eine zielgerichtete Suche nach möglichen Ursachen für das Verhalten unseres Produktes führen zu können. Leider haben wir bis dato keinerlei Zugang zu diesen wichtigen Informationen erhalten.

In allen bisherigen internen sowie externen Tests, auch unter Bedingungen, die weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, ist das beschriebene Fehlerbild nicht festgestellt worden. Seit Bekanntwerden der Erkenntnisse der Stiftung Warentest hat Recaro unter anderem zehn dynamische Tests durchgeführt. Die Untersuchungen fanden sowohl auf der hauseigenen Testanlage, als auch bei externen Partnern statt. In diesen Versuchen wurden Kräfte und Aufprallgeschwindigkeiten erzielt, die die gesetzlichen Anforderungen bei Weitem übertreffen. Bei diesen aber auch bei vorherigen Versuchen konnten wir das Fehlerbild nicht reproduzieren.

Wir müssen die Ursachen für ein mögliches Fehlerbild zunächst identifizieren und verstehen, bevor wir weitere Schritte einleiten. Wir arbeiten weiterhin gewissenhaft und mit Hochdruck an der Ursachenforschung und werden im Sinne der Sicherheit unserer Kunden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen."

Die Produkte des Traditionsunternehmens aus dem Kulmbacher Land erhalten von den Prüfern regelmäßig gute Noten und gelten als empfehlenswert. Recaro wirbt damit und nutzt die Testplaketten als ein Marketing-Instrument. Fast alle Sitze sind hochdotiert. Die Privia-Schale für Kleinkinder hat im Jahr 2014 mit der Note 1,3 sogar das beste Ergebnis erzielt, das die Warentester jemals für einen Kindersitz vergeben haben.

Doch es gibt ein Sorgenkind. Einzig für sein Modell Optia, das für Kinder im Alter von neun Monaten bis viereinhalb Jahren geeignet sein soll, nennt Recaro in der Werbung keine Testergebnisse und verzichtet komplett auf Plaketten. Das wird bis auf Weiteres auch so bleiben.

Denn der Optia-Sitz hat eine mangelhafte Leistung gezeigt. Ein dramatisches Szenario aus dem Vorjahr habe sich wiederholt, teilt die Stiftung Warentest mit und spricht von schweren Sicherheitsmängeln: "Erneut flog der Recaro-Sitz Optia beim Frontalcrash durch das Testlabor." Im hohen Bogen überschlug sich der Sitz während des Aufpralls mitsamt der angeschnallten Puppe. "Im realen Unfallgeschehen könnten sich Kind und Mitfahrer schwer verletzen", erklärt der ADAC.

Offenbar habe sich die Sitzschale von der sogenannten Isofix-Station gelöst. Auch ein weiterer Sitz, das Modell Grand vom katalanischen Hersteller Jané, habe den Kräften des simulierten Unfalls ebenfalls nicht standhalten können.

ADAC und Stiftung Warentest sprechen eine Warnung aus und raten aufgrund des Sicherheitsrisikos vom Kauf der Sitze Recaro Optia und Jané Grand ab. "Wer bereits einen dieser Autokindersitze gekauft hat, sollte sich an den Anbieter wenden", empfiehlt der ADAC.

Genauso dramatisch wie im jüngsten Test sei das Resultat bei der letzten Prüfung im vergangenen Jahr ausgefallen, sagt die Stiftung Warentest: "Auf diese Warnung hatte Hersteller Recaro reagiert und seinen Kunden einen kostenlosen Austausch der betroffenen Isofix-Station Recaro Fix angeboten." Im aktuellen Crashtest haben die Prüfer beim Nachfolgemodell Recaro Smart-Click-Base allerdings keine Verbesserung festgestellt.

In Mannsflur hat die Ursachenforschung begonnen. Das Unternehmen ist überrascht. Vor der Markteinführung sei das betroffene Modell intensiv getestet worden. Dabei sei kein derartiger Fehler aufgetreten. Recaro wartet nun darauf, dass die Stiftung Warentest ihre Daten zur Verfügung stellt, um die Ergebnisse verstehen zu können. Erst wenn die Ursachen klar sind, könne das weitere Vorgehen abgestimmt werden.

"Das ist Anlass zur Beunruhigung und Sorge", sagt Recaro-Sprecher Frank Heinrichsen im Gespräch mit der Frankenpost. "Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um schnell Antworten zu bekommen."

Der betroffene Hersteller Jané hat angekündigt, vorübergehend keine Grand-Sitze mehr an Händler zu liefern. Auch Recaro teilt mit, vorsorglich Optia und die Smart-Click-Base nicht mehr auszuliefern. Durch den Lieferstopp sollen bis zur vollständigen Klärung der Ursache keine Produkte mehr in den Handel gelangen.

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