Kulmbach Ein Tag, um Danke zu sagen

Christina Holzinger

Der heutige Internationale Tag des Ehrenamts macht auf bürgerschaftliches Engagement aufmerksam. Mehr als die Hälfte der Bewohner des Landkreises engagieren sich in ihrer Freizeit unentgeltlich.

 
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Kulmbach - Jeder zweite Bewohner des Landkreises Kulmbach ist in seiner Freizeit im Schnitt rund zwei Stunden und sieben Minuten täglich für seine Mitmenschen im Einsatz. Damit liegt Kulmbach im Bundesvergleich landesweit über dem Durchschnitt. Mit dem heutigen Internationalen Tag des Ehrenamtes, der seit 1986 auf Beschluss der Vereinten Nationen begangen wird, soll das bürgerschaftliche Engagement gefördert und anerkannt werden.

98 Preisträger

Am heutigen Internationalen Tag des Ehrenamtes verleiht der Landkreis Kulmbach zum zwölften Mal an Ehrenamtliche die Ehrenamtsnadel. Der Preis geht an sechs Personen aus den Bereichen Musik, Kultur und Gesang, Sport, Rettungswesen, Soziales sowie aus dem Bereich Jugendarbeit. Mit der heutigen Verleihung gibt es inzwischen 98 Preisträger. Ausgezeichnet werden bewusst nicht die langjährigen Mitglieder oder Vereinsleiter, sondern die Menschen im Hintergrund, die häufig nicht so in Erscheinung treten.

Ein Beispiel: Mit 16 Jahren entschied sich der heutige Stadtbrandrat Michael Weich für das Ehrenamt - und ist 41 Jahre später immer noch der Feuerwehr Kulmbach treu. Wann immer die Sirene heult, steigt Weich in seinen Wagen, fährt zum Einsatzort und koordiniert die Rettungskräfte. Damals, als er sich 1977 entschied, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten, hatte die Feuerwehr einmal im Monat eine Übung und 50 Einsätze im ganzen Jahr. Heute sind 450 Einsätze jährlich keine Seltenheit mehr. Neben Brandbekämpfung gehören auch technische Hilfeleistungen bei Verkehrsunfällen zu den Aufgaben. Neben der Arbeit sei das häufig stressig, sagt Weich. Doch: "Wenn man einmal dabei ist, kann man nicht mehr aufhören", sagt der 56-Jährige.

Wie Weich engagieren sich Tausende Kulmbacher ehrenamtlich in den 550 eingetragenen Vereinen. Sie pflegen kranke Nachbarn, leiten Vereine und Chöre, engagieren sich im Tier- und Umweltschutz. Jeder zweite Kulmbacher ab einem Alter von 14 Jahren zeigt bürgerschaftliches Engagement, viele haben sogar mehrere Ehrenämter inne. "Als Landkreis sind wir bundesweit mit ganz vorne", sagt Landrat Klaus Peter Söllner nicht ohne Stolz. Denn der bayernweite Durchschnitt liegt bei 47 Prozent, der deutschlandweite noch darunter.

"Das bürgerschaftliche Engagement macht unsere Städte und Dörfer überhaupt erst lebenswert", sagt der Landrat. Um die Ehrenamtlichen bei ihrer Arbeit zu unterstützen, hat der Landkreis eine Koordinierungsstelle Bürgerschaftliches Engagement (KoBe) eingerichtet. Heike Söllner ist hauptamtlich dafür verantwortlich, Vereine und deren Ehrenamtliche zu beraten. So betreibt sie etwa eine Bürgerengagement-Börse, bei denen Organisationen und Ehrenamtliche erste Kontakte knüpfen können. Zudem organisiert sie Schulungen zu den Themen Datenschutz, rechtliche Grundlagen oder Versicherung. Diese Informationsveranstaltungen haben einen großen Zulauf, denn die bürokratischen Hürden wachsen stetig. "Einen Verein zu führen, ist wie die Leitung eines Unternehmens", sagt sie.

Viele Menschen engagieren sich in ihrem direkten Umfeld - dem Dorf oder der eigenen Gemeinde - ehrenamtlich. "Die Menschen stehen zusammen und wollen etwas direkt vor ihrer Haustüre bewegen", erzählt Söllner. Dabei entstehen Freundschaften. Die Mitglieder merken, dass sie etwas verändern können. Das sei für viele Menschen die größte Motivation, sich unentgeltlich in ihrer Freizeit zu engagieren. Aus Söllners Sicht sind Ehrenamtliche "unendlich" wertvoll. "Wenn man die Stunden hochrechnet, in denen Freiwillige unentgeltlich arbeiten, wäre das für den Staat niemals bezahlbar." Als Beispiel nennt sie die 3500 Feuerwehrmitglieder, denn die Wehren in der Region bestehen aus ehrenamtlichen Kräften. "Unsere Gesellschaft funktioniert nur so, das Ehrenamt macht unser Land stark."

Während sich immer mehr Vereine und Gruppen auflösen, weil ihnen die Mitglieder fehlen, ist die Zahl der ehrenamtlich Tätigen in den vergangenen fünf Jahren sogar deutlich gestiegen. Was im ersten Moment widersprüchlich klingt, hat für Söllner einen einfachen Grund: Gerade im Jahr 2015 entdeckten im Zuge der Flüchtlingswelle immer mehr Menschen das Ehrenamt für sich, sie engagierten sich meist nur kurzfristig und projektbezogen. "Der Umgang mit den Flüchtlingen zeigte sehr eindrücklich, wie gut unsere Gesellschaft ohne Zutun des Staates funktioniert." So schnell wie das Ehrenamt hätte es aus Söllners Sicht keine andere Organisationsform geschafft, die über eine Million Flüchtlinge zu versorgen und zu betreuen.

Trotzdem bleiben in vielen Vereinen Vorstandspositionen unbesetzt, zahlreiche Gruppen und Chöre lösen sich auf. Die bürokratischen Herausforderungen steigen, viele Ehrenamtliche sind verunsichert. "Der Gesetzgeber muss handeln, damit Engagement wachsen und gedeihen kann", sagt die Ehrenamtsbeauftragte. Das sei nur möglich, wenn die Rahmenbedingungen auch stimmen. Aus Söllners Sicht werden die Vereine auch in Zukunft bestehen, wenn sie ihr Angebot nur entsprechend anpassen und sich auf die Bedürfnisse des Nachwuchses einstellen. "Viele Gesangvereine stellen mangels Singstimmen ihre Arbeit ein, andere jedoch locken immer mehr Mitglieder an, wenn sie ihr Angebot moderner gestalten."

Laut einer Umfrage für den sogenannten Deutschen Freiwilligensurvey zum Thema Ehrenamt engagiert sich jeder fünfte Ehrenamtliche im Bereich Sport und Bewegung, jeder Zehnte im sozialen Bereich, Kultur oder im sozialen Bereich. Einer von 20 Befragten war in einer Hilfsorganisation wie der Feuerwehr oder dem Roten Kreuz tätig.

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