Neapel Eine Reise im Zeichen der Maske

Horst Wunner

Corona zum Trotz: Acht Tage verbrachte der Frankenpost -Mitarbeiter Horst Wunner in Neapel. In Süditalien traf er auf erstaunliche Disziplin. Er befindet: Es war ein Urlaub, der sich gelohnt hat.

 
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Neapel - Es hört sich derzeit vielleicht ein bisschen surreal an: Trotz Corona Neapel, die Stadt am Vesuv, und die wunderschöne Umgebung zu besuchen, etwas Normalität auch außerhalb der eigenen Heimat zu erfahren. Aber das Fernweh war einfach zu groß. Freunde warnten mich davor, es sei zu gefährlich, vieles zu ungewiss wegen des Virus, vielleicht drohe danach Quarantäne. Aber Entwarnung, alles ging gut.

Und der achttägige Trip bleibt auch deswegen unvergesslich, weil man mehr Solidarität, mehr Verständnis spürte als in "normalen Zeiten". Irgendwie schweißt Covid-19 auch zusammen. Weil, egal welche Nationalität man besitzt, die Krankheit keinen Unterschied kennt. Die Maske gehörte dazu wie eine Kopfbedeckung, war ständige Begleiterin: Von Beginn an im Linienbus zum Bahnhof, im Regionalexpress und ICE, am Airport und im Flugzeug. Das gleiche Ritual bei der Ankunft in Napoli bis zum Einchecken im Hotel.

Dann hinein ins pralle Leben, in die Masse einer Millionenmetropole, die keine Verschnaufpause kennt, fast rund um die Uhr pulsiert. Und das Erstaunlichste: Die sonst so leichtlebigen Süditaliener, bekannt für ihre Lebenslust und Feierlaune, zeigten sich äußerst diszipliniert, da könnten sich manche der deutschen Maskengegner und Demonstranten ein Beispiel nehmen. Der Neapolitaner trägt meistens den Virusschutz wie befohlen, die Plätze in der Tram, im Zug sind extra gekennzeichnet, es wird auf Abstand geachtet. Selbst im "Centro Storico", in der verwinkelten Altstadt mit all den engen Gassen und kleinen Plätzen, herrscht noch eine gewisse Vorsicht. Man hat die Maske zumindest dabei.

Hier treffen sich ja in der Regel die Einheimischen als große Familie, die Nähe zueinander ist Routine. Es ist dort an der Via Carbonara mittlerweile 2.30 Uhr in der Nacht. Vor dem Riccio Caffé sitzen noch ganze Generationen, vom Bimbo bis zur Nonna - vom Baby bis zur Oma. Dem gerade mal sechs Monate alten Säugling gibt die Mama ungeniert die Brust, die Ragazzi, die Halbwüchsigen, toben herum, spielen Fußball am Straßenrand. Eine Gruppe Jugendlicher sitzt auf ihren Motorrollern und plaudert lautstark. Die Maske ist hier, der nächtlichen Uhrzeit angepasst, nicht mehr präsent. Denn man kennt sich.

Ob im oberen Stadtteil Vomero, auf der riesigen Piazza Plebiscito oder auf der Piazza Dante tobt nächtens die Lebenslust. Stets herrscht das gleiche Bild: Menschenmengen auch nach Mitternacht, die Jugend schläft nicht. Die 16- bis 22-Jährigen gehen, wie sie mir sagen, erst gegen drei bis vier Uhr früh ins Bett, Alessia feiert mit. "Ich habe natürlich die Maske dabei, jetzt unter Freunden ist sie aber nicht notwendig", sagt sie lachend. Und die anderen im Umkreis nicken. Auch im Palazzo Fondi, einem historischen Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert, vergnügt man sich, seit etwa zehn Jahren gibt es hier eine Bar: Herein mit der Maske, dann runter und "dolce far niente", das süße Nichtstun, ist angesagt. Seinen Namen aufschreiben oder eine Telefonnummer hinterlassen muss man nirgends. Später hinunter ans Meer, die Jungs machen noch nach Sonnenuntergang Köpfer ins Wasser, nebenan schneidet ein Koch öffentlich Trippa (Kutteln) zurecht, würzt sie im Schwung mit Salz und Zitronen, sie finden reißenden Absatz. Hier auf der Terrasse sind die Leute eng beieinander, man hat keine Ansteckungsangst. "Ich mache erst um fünf Uhr früh Schluss", verrät der Magier der Innereien.

Bei einer Napoli-Reise ist die nahe liegende Isola Procida fast Pflicht, ein Juwel voller bunter Häuserkaskaden am Steilhang umgeben vom azurblauen Meer. Mit dem E-Bike quer durch die kleine Insel, hinein ins Lokal zur Seezunge, schon gewohnt: Maske auf und ab. Wenn man sie mal vergisst aufzusetzen, wird man höflich daran erinnert. Und bei der Rückfahrt mit der Tragettho, der Fähre, stehen bei der Ankunft im Hafen von Napoli die Carabinieri und prüfen, ob alle Masken tragen.

Ein Erlebnis auch die Fahrt mit der Circum Vesuviana, einer Art S-Bahn entlang des Golfes unterhalb des Vesuv. Bis nach Castellamare di Stabia geht es: Maskenpflicht, alle folgen ihr. Auch in der Bergbahn hinauf zum Monte Faito (1131 Meter) das gleiche Prozedere: Dafür wird man mit einem unvergleichlichen Blick bis hinüber nach Sorrent und die Insel Capri belohnt. Und anschließend in dem kristallklaren Wasser der Adria bei Vico Equence in einer pittoresken Bucht ist Corona ganz weit weg. Es gibt viel Platz, keine Ostsee -Menschendichte. Noch ein Abstecher nach Agropoli im Cilento, dem südlichen Hinterland Napolis. Das Bergstädtchen bietet großartige Ausblicke und fantastisches Essen. Auch hier dominiert die Maske bis zur kleinsten Trattoria, die Leute auf dem Land sind vernünftig.

Fazit dieser Reise: Die längeren Wartezeiten manchmal, der erhöhte Aufwand an Hygiene, die fehlenden herzlichen Umarmungen als Dankeschön für eine kurze Freundschaft samt dem Abschiedskuss - all das stört nicht. Man konnte auch beruhigt heimreisen, wie die Szene bei der Ankunft am Flughafen Frankfurt bewies: "Kommen Sie aus Graz?", fragte mich der Polizeibeamte und als ich verneinte, durfte ich passieren. Sonst hätte ich zum Test gemusst. Daher also: Napoli als Ziel im Auge behalten.

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